Das Wichtigste in Kürze:
- Es gibt immer mehr Medikamente gegen Krebs – doch sie werden auch immer teurer.
- In England wägen die Behörden nach ökonomischen Kriterien ab, ob die Krankenkassen für eine Krebstherapie bezahlen.
- Um mit Pharmakonzernen tiefere Preise auszuhandeln, schliessen sich EU-Länder zusammen.
Krebstherapien können Leben retten – wenn alles nach Plan läuft. Das ist eine gute Nachricht. Doch die neuen, innovativen Krebsmedikamente haben eine Schattenseite: Sie sind extrem teuer.
Dass eine Behandlung 100'000 Schweizer Franken pro Patient und Jahr kostet, ist keine Seltenheit mehr. Tendenz steigend.
Preise steigen immer weiter
Nur zwei Eckdaten: Die Krankenkasse Helsana gibt an, dass sich ihre Ausgaben für Krebsmedikamente von 2007 bis 2016 verdreifacht haben. Und nach Zahlen der US-amerikanischen Zulassungsbehörde für Medikamente (FDA) haben sich die Preise für neuzugelassene Krebsmedikamente seit 1990 verzehnfacht.
Das macht deutlich: Die Preise gehen immer weiter nach oben, und es ist nach wie vor kein Ende in Sicht. Solche hohen Medikamentenpreise belasten das Gesundheitssystem.
Zwar gilt in der Schweiz der Konsens: «Wir haben immer noch genug Geld, um das, was Patienten wirklich brauchen, auch zu bezahlen.» Doch die Frage ist, wie lange das noch geht.
Viel Nutzen, wenig Geld
Ein Weg, um Kosten zu deckeln, wäre Rationierung. Also zu sagen: Ich habe so und so viel Geld zu Verfügung. Damit muss ich so und so viele Patienten versorgen. Wer also bekommt was? Wo können wir uns auf weniger beschränken?
Das will in der Schweiz keiner, doch andere Länder, zum Beispiel Schweden oder Grossbritannien, gehen diesen Weg schon längst. In England – Wales, Schottland und Irland regeln das separat – entscheidet das National Institute for Health and Care Excellence (NICE), welche Medikamente von und für die Allgemeinheit bezahlt werden sollen, und welche nicht.
Das entscheidende Kriterium: Wie bekomme ich möglichst viel Nutzen für möglichst wenig Geld? Eine rein ökonomische Abwägung also. Grundsätzlich ist dieses Vorgehen in England auch akzeptiert, selbst bei Patientenorganisationen.
Krach um heikle Entscheidungen
Doch bei einzelnen Entscheidungen gehen Patientenorganisationen dennoch auf die Barrikaden. Jüngstes Beispiel ist das Brustkrebsmedikament Kadcyla. NICE entschied Ende Jahr 2016 vorläufig, dass das Medikament nicht über die Krankenkassen bezahlt werden sollte.
Viele hatten darauf gehofft, dass Roche, der Hersteller des Medikaments, den Preis senken würde. Doch Roche blieb hart.
Das Hin und Her belastet viele
Die Hoffnung ist nun, dass NICE entweder noch einmal neu rechnet und sich anders entscheidet. Oder dass Roche doch noch einen Rabatt einräumt. Doch gleichgültig, wie die Entscheidung ausgeht: Für die Betroffenen ist das Hin und Her eine grosse Belastung.
Wünschenswert wäre es auch Sicht der Patienten, dass Preisverhandlungen früher gemacht würden. Dass es also nicht ein Nein von NICE bräuchte, um am Ende vielleicht niedrigere Preise zu erreichen.
Faire Preise statt Profit
Preise für Medikamente anders zu verhandeln, das fordert unter anderem auch die Weltgesundheitsorganisation WHO. Sie spricht von «fairen» Preisen.
Für einen fairen Preis dürften nach Ansicht der WHO nicht nur die Kosten von Entwicklung und Produktion oder der Nutzen eines Medikaments eine Rolle spielen. Sondern auch die Frage, ob ein Land sich die Versorgung der eigenen Bevölkerung noch leisten kann, wenn Preise sehr hoch angesetzt werden.
Länder stärken ihre Position
Auch einige Länder in der EU wollen die Preispolitik im Medikamentenmarkt verändern. Die Niederlande, Belgien, Luxemburg und Österreich wollen kooperieren und in Zukunft Preise gemeinsam aushandeln. Damit stärken sie ihre Position im Preispoker, denn sie können gemeinsam für grössere Märkte verhandeln.
Ob sich die Preisspirale so tatsächlich stoppen lässt, bleibt offen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 30.5.17, 09:03 Uhr