Zum Inhalt springen

Intensivstationen – Eine Welt für sich

Es ist ein Ort, an dem es um menschliche Schicksale, um Leben und Tod geht: die Intensivstation.

Peter Steiger leitet als Arzt die drei chirurgischen Intensivstationen des Universitätsspitals Zürich. «Heute stellt sich in der Intensivmedizin weniger die Frage, was noch möglich, als vielmehr, was noch sinnvoll ist», umreisst er das Dilemma der heutigen Medizin. Bei ihm und seinem Team landen Patienten, die nach Unfällen, Operationen oder plötzlichen Gesundheitskrisen zwischen Leben und Tod schweben.

Intensivmedizin ist kosten- und personalintensiv. Meist betreuen ein bis zwei Pflegepersonen rund um die Uhr einen Patienten. Diese sind oft nicht ansprechbar. Rund zehn Betten hat die Station für Unfallchirurgie, ebenso viele jene der Viszeral- und Transplantationsmedizin. Letztere, auf die auch viele Organ-Transplantierte kommen, verlangt eine feine, sensible Medizin: Es braucht wenig, und die Patienten sind weg. Geräte überwachen, Medikamente kontrollieren, Körperpflege und Mobilisation gehören zu den Aufgaben der Pflege, nebst der Betreuung der Angehörigen.

«Die Betreuung der Angehörigen ist oft belastender als jene der Patienten», erzählt Peter Steiger. Sie befänden sich in einer Ausnahmesituation und benötigten häufig die Hilfe von Sozialarbeiterinnen oder Gespräche mit dem Psychiater, der auf der Station integriert ist. «Die Angehörigen müssten eigentlich stabil sein, um den Patienten zu unterstützen. Doch oft sind sie selber in einer Krisensituation. Wir helfen ihnen dann dabei, eine Tagesinfrastruktur aufrecht zu erhalten», umschreibt die Sozialarbeiterin Martina Götsch Heuberger ihre Rolle.

Einzige Verbrennungsstation der Deutschschweiz

Das Universitätsspital Zürich hat – aufgeteilt nach Fachgebiet – sechs Intensivstationen. Eine davon ist die Station für schwer Brandverletzte, mit sechs Betten. Am USZ werden alle schweren Verbrennungen aus der Deutschschweiz behandelt. Peter Steiger leitet auch diese Abteilung. In den letzten Jahren haben die Intensivmediziner und die Wiederherstellungschirurgen grosse Fortschritte bei der Behandlung erzielt: «Wir hatten einen Patienten bei uns auf der Abteilung mit einer Verbrennung von 85 Prozent des Körpers. Er hat überlebt und ist jetzt in der Rehabilitation», erzählt Peter Steiger. Das wäre noch vor kurzem undenkbar gewesen.

Von «Intensiv» auf «Normal»

Box aufklappen Box zuklappen

Wann kommt ein Patient von der Intensiv- auf die Normalstation?

1. Sobald er nicht mehr auf Organersatz-Verfahren angewiesen ist (ausser Dialyse)

  • also der Blutdruck stabil ist
  • und keine Unterstützung der Lunge oder Beatmungsgeräte mehr erforderlich sind.

2. Sobald der Pflege-Aufwand von der Normalstation zu bewältigen ist.

Auch ein junger Mann hat einen Starkstromunfall mit schweren Verbrennungen am Oberkörper und an einem Arm überlebt. Nur die Kunst der Wiederherstellungschirurgen bewahrte seinen Arm vor der Amputation. Nun stehen ihm zahlreiche Hauttransplantationen bevor, die alle schwer Brandverletzten hinter sich bringen müssen: Zuerst werden die Verbrennungen mit künstlicher Haut abgedeckt. Später wird den Patienten Eigenhaut transplantiert, gewonnen in einer schmerzhaften Prozedur: «Typischerweise tut es dort am meisten weh, wo man Haut entnimmt, nicht dort, wo man sie verpflanzt. Auch viele Wochen später beschweren sich Patienten manchmal noch», erklärt Assistenzarzt Rick Osinga. Schmerzen sind auf der Verbrennungsstation ein gutes Zeichen, ein Zeichen dafür, dass die Nerven noch intakt sind.

90 Prozent der Patienten überleben

Rund 90 Prozent der Patienten auf den Intensivstationen überleben. Viele hätten nachher eine andere Einstellung zum Leben, beobachtet Peter Steiger. «Man hat nicht mehr das gleiche Vertrauen in den Körper wie vorher, weil man gesehen hat: Plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, kann etwas passieren und vielleicht wird man invalid oder stirbt sogar daran.»

Auf der Station für Brandverletzte wird für die Patienten, die manchmal monatelang auf der Station bleiben, ein sogenanntes Patiententagebuch geführt – eine Intervention, die Patienten helfen soll, im Nachhinein ihre Erinnerungslücken zu füllen. «Sie sind teils wochenlang im künstlichen Schlaf, mit ihnen passiert etwas, und sie haben später zuhause Träume und nur bruchstückhafte Erinnerungen», umschreibt Pflegeexpertin Christine Rosch die Situation. «Im Patiententagebuch schreiben wir von der Pflege und die Angehörigen alle zwei bis drei Tage auf, was mit ihnen passiert ist. Das hilft beim Verarbeiten.»

Meistgelesene Artikel