Eine Strahlentherapie bei Krebs kann man sich wie einen Blitz vorstellen, der irgendwo einschlägt und ein Feuer auslöst. Die Strahlen sorgen dafür, dass sich Stoffe wie Kalzium in einer Zelle so sehr anreichern, dass sie stirbt. So wie ein Blitzableiter die Energie des Einschlags im Boden verteilt, verteilen röhrenförmigen Membranen, sogenannte Tumor Microtubes, das Kalzium auf viele Krebszellen. In der Folge schrumpft die Dosis in den einzelnen Zellen auf ein Mass, das die Zellen vertragen. Darum überleben mehr Krebszellen.
Aber auch ausserhalb des Tumornetzwerks gibt es Kommunikation: Gesunde Nervenzellen verbinden sich mit allen Zellen, die das zulassen – auch mit Krebszellen. Die Nervenzellen senden den Tumorzellen über diese Verbindungen Botenstoffe wie Glutamat. Dadurch geben sie dem Tumor ständig Impulse und regen ihn zum Wachstum an, sagt Frank Winkler, der ebenfalls am Deutscheng Krebszentrum in Heidelberg forscht: «Normale Nervenzellenaktivität – also, was wir als Denken bezeichnen – treibt diese Tumore an, zu wachsen und sich auszudehnen.»
Erste Erfolge bei Tierversuchen
Das Wissen über diese Botenstoffe bietet neue Therapiemöglichkeiten. Denn für viele der Substanzen gibt es bereits Medikamente, sie zu hemmen: «Dazu gehören Medikamente, die wir heute einsetzen für die Behandlung von Epilepsie, von Depressionen oder von Schmerzen», so Wolfgang Wick.
Dann werden wir am Ende hoffentlich eine wirklich neue Therapiesäule haben, die auf diesen neuen Konzepten beruht.
Für den Krebs haben Forschende bislang lediglich im Tierversuch gezeigt, dass solche Substanzen das Tumorwachstum aufhalten können. Diese Erkenntnisse stimmen zwar optimistisch, die Medikamente können aber im Menschen ganz anders funktionieren. Darum überprüfen Forschende sie jetzt in klinischen Studien: «Dann werden wir am Ende hoffentlich eine wirklich neue Therapiesäule haben, die auf diesen neuen Konzepten beruht», sagt Frank Winkler.
Verbindungen zwischen Zellen ändern sich ständig
Sein Kollege Wolfgang Wick weist auf eine Schwierigkeit hin, die es dabei gibt: Das Krebsnetzwerk wandelt sich ständig. Er vergleicht die Netzwerkverbindungen mit einem Telefonnetz. Das Krebsnetzwerk sei nicht statisch wie ein Telefonnetz mit Kabeln, sondern plastisch wie ein Telefonnetz mit Mobiltelefonen. «Das heisst: Die Verbindungen zwischen den Zellen ändern sich ständig.» Das führe dazu, dass ein Wirkstoff auf eine schwach verbundene Zelle lediglich einen hemmenden Einfluss habe, aber auf eine gut verbundene Zelle schädlich wirke. «Das Timing der Therapie wird eine Riesenrolle spielen.»
Der neue Ansatz sei vielversprechend, doch es gibt noch Hürden zu überwinden auf dem Weg zu wirksamen und sicheren Therapien. Und: Krebszellen kommunizieren nicht nur bei Hirntumoren gut vernetzt, sondern auch bei diversen anderen Formen von Krebs – zum Beispiel in der Prostata, in der Lunge oder Brust.