Das Sperma eines dänischen Samenspenders, bei dem eine gefährliche genetische Mutation festgestellt wurde, soll Berichten zufolge zur Zeugung von knapp 200 Kindern in Europa genutzt worden sein.
Das ist das Ergebnis einer aufwendigen Recherche eines investigativen Reporternetzwerks der Europäischen Rundfunkunion (EBU), eines Zusammenschlusses öffentlich-rechtlicher Sender.
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Weil eines dieser Kinder an Krebs erkrankte, wurde das Sperma des Spenders untersucht. Den Recherchen zufolge erhöht der Gendefekt im Sperma des anonymen Spenders das Risiko von Krebserkrankungen erheblich; ein Fünftel dieser Kinder wird voraussichtlich an Krebs erkranken. Mindestens 197 Kinder sollen mit dem Samen des Mannes gezeugt worden sein. Wie viele genau vom Gendefekt betroffen sind, ist bislang nicht bekannt.
Risiko durch seltenen TP53-Gendefekt
Bei Betroffenen des seltenen Defekts im Gen TP53 sind den Berichten zufolge wegen des dadurch ausgelösten Li-Fraumeni-Syndroms regelmässige Krebsvorsorge-Untersuchungen dringend notwendig.
Laut den Recherchen ist das Problem mit dem Sperma des als Spender 7069 oder «Kjeld» bekannten Mannes seit 2023 bekannt. Es seien noch nicht alle potenziell betroffenen Familien kontaktiert worden.
Der Fall wirft grundlegende Fragen über die Regulierung und das Geschäft mit Samenspenden auf. Die Samenbank ESB in Kopenhagen hat das Sperma zwischen 2006 und 2023 67 Kliniken in 14 Ländern zur Verfügung gestellt. Sie teilte mit, man habe tiefes Mitgefühl mit den Familien, Kindern und dem Spender.
Samenbank verweist auf unbekannte Mutation
Es handle sich um eine zuvor unbekannte Mutation, die nur in einem kleinen Teil der Spermien auftrete, so die Mitteilung der Samenbank weiter. Weder der Spender noch seine Familie seien erkrankt. Eine Mutation dieser Art könne durch genetisches Screening vorsorglich nicht erkannt werden.
Als der Gendefekt bestätigt worden sei, habe man den Spender unverzüglich gesperrt und Behörden und Kliniken informiert. Verantwortlich für die Informierung der Betroffenen seien aber die Kliniken.
Laut SRF-Wissenschaftsredaktor Christian von Burg werden Samenspender zwar überprüft, aber nur auf Infektionskrankheiten wie Hepatitis oder HIV und einige häufige Erbkrankheiten. «Es gibt zahlreiche sehr seltene Erbkrankheiten, die nicht routinemässig abgeklärt werden», sagt von Burg.
Besonders viele Fälle sind den Berichten zufolge aus Belgien bekannt. Allein dort sollen 53 Kinder von 38 verschiedenen Müttern mit dem Sperma gezeugt worden sein. Dabei sieht das Land eigentlich ein Limit von maximal sechs Familien pro Samenspender vor. Etliche der Frauen sollen aus anderen europäischen Ländern für die Behandlung nach Belgien gereist sein.
Wahrscheinlich sind keine Kinder in der Schweiz betroffen, sagt von Burg. Auf der Liste der betroffenen Länder taucht die Schweiz bislang nicht auf. «Jedoch beziehen viele Eltern Sperma im Ausland, sodass auch einzelne Schweizer Kinder theoretisch betroffen sein könnten.»
Forderung nach Datenbank
Der belgische Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke forderte der Nachrichtenagentur Belga zufolge eine europäische Datenbank und internationale Beschränkungen für die Verwendung von Sperma eines einzelnen Samenspenders.