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Langer Weg zum weltweiten Asbest-Verbot
Aus Wissenschaftsmagazin vom 10.06.2023. Bild: Imago Images / Arnulf Hettrich
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Langer Weg zum globalen Verbot Asbest in Asien: Boom mit tödlichen Folgen

Asbest ist gefährlich, das ist seit Jahrzehnten bekannt. In Ländern wie der Schweiz ist Asbest darum verboten. Ganz anders in Teilen Asiens: Dort wird Asbest bis heute in grossen Mengen verarbeitet und verbaut.

Schon oft hat Bernhard Herold mit Asbest-Opfern gesprochen. Ein Mann aus Indonesien etwa zeigte ihm ein Handy-Video aus einer Fabrik: «Darauf zu sehen war ein Nebel von Asbeststaub, in dem die Arbeiter dort ohne jeden Schutz arbeiten», erzählt der Experte für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz bei der Schweizer NGO Solidar Suisse.

Der Staub entsteht schon beim Öffnen der Plastikpakete, die das faserförmige Asbest enthalten. In der Fabrik wird es dann hauptsächlich zu Dachplatten oder Wasserleitungen verarbeitet. Das geschieht noch heute tagtäglich, nicht nur in Indonesien, sondern auch in Ländern wie Russland, China, Vietnam und vor allem: Indien. Dorthin gehe ungefähr ein Drittel der Weltproduktion, sagt Herold.

Wie bei uns früher auch ist Asbest so beliebt, weil es nicht brennbar ist, sehr robust und günstig. Doch wie ist das möglich, wo doch im Westen seit Jahrzehnten bekannt ist, wie gefährlich und krebserregend der Stoff ist?

Starke Industrielobby

Mit ein Grund sei, dass asbestbedingte Krankheiten erst nach zwanzig, dreissig Jahren aufträten, sagt Bernhard Herold. Je nach Land würden darum vermeintlich drängendere Gesundheitsprobleme eher im Vordergrund stehen. Dazu kämen wirtschaftliche Interessen – etwa von Ländern, die viel Asbest abbauen oder solchen, die das Asbest in grossen Mengen importieren.

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Archiv: Asbest – Wirtschaft bricht Abmachungen
Aus ECO vom 19.10.2020.
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Eben diese wirtschaftlichen Interessen sorgen auch auf internationaler Bühne dafür, dass der Kampf gegen Asbest seit rund zwanzig Jahren stockt. So lange versucht man nämlich schon, Weiss-Asbest, also die meistverwendete Form von Asbest, auf die Liste gefährlicher Stoffe der Rotterdam-Konvention zu setzen.

Gesundheitsrisiken bekannt machen

Automatisch verboten wäre ein Stoff damit zwar nicht. Doch sobald ein Stoff auf dieser Liste steht, sind die Länder, die ihn exportieren, verpflichtet, die Importländer über die gesundheitlichen Gefahren zu informieren. «Frühere Beispiele anderer Chemikalien haben gezeigt, dass das mit der Zeit zu Einschränkungen führt», so Bernhard Herold.

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Archiv: Auf Indien rollt eine Asbestwelle zu
aus Rendez-vous vom 01.05.2023. Bild: Keystone/DIVYAKANT SOLANKI
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Doch die Rotterdam-Konvention hat einen Haken: Eine einzige Nein-Stimme aus den mehr als hundert Vertragsländern genügt, um die Aufnahme zu blockieren. An der diesjährigen Konferenz Anfang Mai in Genf versuchten verschiedene Länder – darunter die Schweiz – die Blockade zu lösen. «Die Idee war, eine neue Liste einzuführen», sagt Felix Wertli vom Bundesamt für Umwelt, der Teil der Schweizer Delegation in Genf war. Die Liste wäre nur für jene Staaten verbindlich gewesen, die sie ratifizieren – man hätte also eine Koalition der Willigen geschaffen.

Millionen Tote erwartet

Gelungen ist das aber nicht: Der Vorschlag verfehlte – wenn auch knapp – die nötige Dreiviertelmehrheit unter den Vertragsstaaten. Vorerst ändert sich also weiter nichts. Das habe gesundheitliche Konsequenzen: Weltweit gerechnet gehe die Weltgesundheitsorganisation davon aus, dass jedes Jahr über 200'000 Menschen an asbestbedingten Krankheiten sterben, sagt Bernhard Herold. Und das wohl noch für die kommenden Jahrzehnte.

Wissenschaftsmagazin, 10.06.2023, 12:40 Uhr

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