Wird es vielleicht bald ein wirksames Medikament gegen Alzheimer geben? Diese Hoffnung weckte das japanische Pharmaunternehmen Eisai vor zwei Monaten in einer Pressemitteilung. Nun liegt endlich auch die wissenschaftliche Auswertung der klinischen Studie vor.
Diese Auswertung zeigt: Erstmals gibt es ein Medikament, das schädliche Ablagerungen im Gehirn von Alzheimer-Patienten auflösen und ihre kognitive Leistung dadurch besser erhalten kann. Aber wie viel dies den Betroffenen nützt und mit welchen Nebenwirkungen sie rechnen müssen, das bleibt unklar.
Ein wenig wirksam – zu einem hohen Preis
Knapp 1’800 Personen hatten an der klinischen Studie mit dem Medikament Lecanemab teilgenommen. Alle Teilnehmenden befanden sich in einem frühen Stadium der Alzheimer-Erkrankung. Die Hälfte von ihnen erhielt alle zwei Wochen eine Infusion mit dem Medikament, die andere Hälfte ein Placebo.
Nach 18 Monaten zeigte sich: Die schädlichen Ablagerungen im Gehirn – die sogenannten Amyolid-Plaques – bildeten sich etwas langsamer, wenn die Patienten Lecanemab erhielten. Und diese Patientengruppe schnitt ein bisschen besser ab bei den Tests, die die Leistungen ihres Gehirns untersuchten.
Expertinnen kritisieren, dass diese sehr kleine Wirkung im Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen kaum eine Rolle spielen wird. Auch der Hersteller Eisai betont, dass längere Untersuchungen wichtig seien, um die Langzeitwirkung und die Risiken des Medikaments besser zu untersuchen.
Wie viel nützt, wie viel schadet es?
Denn die Wirkung von Lecanemab hat möglicherweise einen hohen Preis: Kurz vor der Veröffentlichung der aktuellen Studie wurde bekannt , dass eine 65-jährige Frau an einer massiven Hirnblutung gestorben war. Sie war mit Lecanemab behandelt worden. Noch ist nicht restlos geklärt, inwiefern das Medikament für den Tod der Frau verantwortlich war. Einige Monate zuvor war bereits ein ähnlicher Fall eines Alzheimer-Patienten bekannt geworden . Auch er erhielt Lecanemab.
Mehr Infos zu den Todesfällen
Ein Zusammenhang zwischen Lecanemab und Hirnblutungen halten viele Fachleute durchaus für möglich. Lecanemab ist ein sogenannter monoklonaler Antikörper – ebenso wie zwei andere vielversprechende Wirkstoffe, die jüngst für Schlagzeilen sorgten: Aducanumab der Firma Biogen und Gantenerumab von Roche. Diese Antikörper wirken in den Gefässen des Gehirns wie eine Art Zahnseide: im besten Fall schaffen sie es, die schädlichen Amyolid-Ablagerungen – wie eine Verschmutzung zwischen den Zähnen – herauszulösen.
Hoffnung trotz kleiner Fortschritte
Doch es kann vorkommen, dass die Amyolid-Plaques bereits in die Gefässwände hineingewachsen sind. Wenn sie dann durch ein Medikament aufgelöst werden, schwächt das die Gefässwände. Sie können platzen und eine Gehirnblutung auslösen. Dieses Risiko ist besonders erhöht, wenn ein Patient oder eine Patientin ein Blutverdünnungsmedikament einnehmen muss.
Es bleiben noch viele Probleme und Herausforderungen, die wir lösen müssen
Trotz der eher kleinen Fortschritte und den besorgniserregenden Nebenwirkungen von Lecanemab freuen sich viele Ärzte und Alzheimerforschende. «Es bleiben noch viele Probleme und Herausforderungen, die wir lösen müssen», sagte der Direktor der britischen Demenzforschungszentrums, Nick Fox, in einer schriftlichen Stellungnahme. «Aber für die vielen Patientinnen und Patienten ist es besser, wir haben diese Probleme als gar keine Perspektive.»