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Neue Mpox-Variante in Europa «Wir müssen diese Virusvariante auch bei uns auf dem Radar haben»

Warum die WHO 15 Monate nach der letzten Mpox-Pandemie erneut eine globale Notlage ausruft, erklärt Experte Jan Fehr.

Jan Fehr

Infektiologe und Chefarzt Zentrum für Reisemedizin der Uni Zürich

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Jan Fehr, Infektiologe und Chefarzt des Zentrums für Reisemedizin von der Universität Zürich. Zudem ist er Leiter im Departement Public & Global Health. Das Departement umfasst die Abteilungen übertragbare Krankheiten, Gesundheitsforschung und betriebliches Gesundheitsmanagement sowie Prävention und Gesundheitsförderung Kanton Zürich.

SRF Wissen: Was bedeutet die neue globale Notlage konkret?

Jan Fehr: Die Infektionskrankheit tritt nicht nur wie bisher vor allem in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) auf, sondern vermehrt auch in Kenia, Ruanda, Uganda und Burundi. In diesem Jahr wurden in der Subsahara über 15'600 Fälle gemeldet und vermutlich mehr als 500 Personen sind an der Pockenerkrankung gestorben.

Die neue Beurteilung des aktuellen Mpox-Ausbruchs soll auf internationaler Ebene ein Warnsignal an das Gesundheitswesen, die Politik, die Pharmafirmen sowie auch den länderübergreifenden Verkehr sein.

Besorgniserregend ist, dass sich die neue Virus-Untergruppe Klade Ib schnell ausbreitet. Betroffen sind vor allem auch viele Frauen und Kinder und es scheint auch mehr Todesfälle zu geben.

Wie unterscheiden sich die Viren der Mpox-Arten ?

Es gibt den Virus-Typ des Kongobeckens (Klade I) und der westafrikanische Virus-Typ (Klade II). Vor zwei Jahren verbreitete sich Klade II (einst Affenpocken genannt) auch in der Schweiz und Europa. Insbesondere gab es damals viele Fälle bei Männern, die Sex mit Männern hatten. Eine Übertragung mit Klade II war sogar möglich, wenn beim Infizierten noch keine Symptome aufgetreten waren. Wie es mit der neuen Variante Klade Ib ist, weiss man derzeit noch nicht.

Neue Variante: Schweden bestätigt ersten Fall ausserhalb Afrikas

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In Schweden gibt es nach dortigen Regierungsangaben den ersten bestätigten Mpox-Fall der neuen Variante Klade I ausserhalb des afrikanischen Kontinents. Das teilte der schwedische Sozialminister Jakob Forssmed auf einer Pressekonferenz mit, die im schwedischen Fernsehen übertragen wurde.

Der Fall wurde demnach in der Region Stockholm festgestellt. «Das ist natürlich etwas, das wir ernst nehmen», sagte Forssmed. Die infizierte Person habe sich zuvor in Afrika aufgehalten.

Erst vor 15 Monaten beendete die WHO die höchste Gefahrenstufe für die damalige Mpox-Epidemie. Warum alles nochmal?

2022 handelte es sich um die weltweite Epidemie mit den Mpox-Viren Klade II. Die WHO meldete damals eine gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite, ähnlich wie zuvor etwa bei der Covid-19-Pandemie 2020 oder der Ebola-Epidemie 2018. Die neue Beurteilung des aktuellen Mpox-Ausbruchs soll auf internationaler Ebene ein Warnsignal an das Gesundheitswesen, die Politik, die Pharmafirmen sowie auch den länderübergreifenden Verkehr sein. Bislang gibt es aber keinen Grund, eine Reise in die Sub-Sahara abzusagen. Wie immer ist jedoch wichtig, bekannte Hygienemassnahmen einzuhalten.

Wie äussert sich eine Ansteckung?

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Auf dem Bild sind Hände zu sehen.
Legende: Oft treten auch an den Händen juckende Blasen auf. Keystone

Am Anfang kündigt sich die Krankheit noch mit sehr unspezifischen Symptomen wie Fieber, Kopfschmerzen, Schüttelfrost und geschwollenen Lymphknoten an. Später entstehen nach ein paar Tagen die typischen, oft auch schmerzhaften Hautbläschen an verschiedenen Körperstellen. Im Extremfall kann die Infektion den Körper so stark belasten, dass sie aufgrund von weiteren Komplikationen tödlich ist.

Beim aktuellen Infektionsgeschehen mit Klade Ib haben sich jetzt auch erstmals Schulkinder angesteckt. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist dies aber nur bei sehr nahem Körperkontakt möglich. Das neue Mpox-Virus dringt dann, insbesondere bei schon verletzter Haut in den Körper ein – oder durch die Schleimhäute von Augen, Nasen und Mund.

Mediziner in Schutzkleidung untersucht Kind in provisorischer Klinik.
Legende: Eine Labormitarbeiterin nimmt eine Probe von einem Kind, das als Mpox-Verdachtsfall deklariert wurde. Reuters / Arlette Bashizi

Vermutlich sind die Fallzahlen sogar noch viel höher und wir sehen momentan nur die Spitze des Eisbergs. Wichtig ist, dass man jetzt aber mit Vernunft handelt, indem man insbesondere den von der Epidemie betroffenen Ländern genug Impfstoffe zur Verfügung stellt, um ihnen bei der Bekämpfung des momentanen Ausbruchs zu helfen.

Muss man sich in Europa jetzt Sorgen machen?

Wir sollten wachsam sein, haben aber momentan keinen Anlass zur Panik. Dennoch braucht es jetzt auch für Europa unbedingt ein Monitoring. Das heisst, dass die Ärzte und Ärztinnen daran denken, die Proben an geeignete virologische Labors zu schicken, damit die neue Mpox-Variante überhaupt festgestellt und charakterisiert werden kann.

Es nützt niemandem etwas, aus der momentanen Situation ein globales Schreckgespenst zu machen. Vielmehr geht es darum, dass wir auch bei uns die Virusvariante auf dem Radar haben müssen. Zudem sollte man sich immer wieder bewusst machen, dass durch die hohe Mobilität unseres globalisierten Alltags es nicht allein ein Problem in Afrika ist.

BAG hält Ansteckungsgefahr in der Schweiz für klein

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Die Ansteckungsgefahr in der Schweiz sei sehr klein, hiess es vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Die Mehrheit der Risikopersonen in der Schweiz sei geimpft. Zu den Risikopersonen gehören Männer, die Sex mit Männern haben und Trans-Personen mit häufig wechselnden Sexualpartnern. In der Schweiz ist laut BAG zudem genügend Impfstoff vorhanden und die Zahl der Fälle ist stabil. Es kam hierzulande im Sommer 2022 erstmalig zu zahlreichen Mpox-Infektionen. Seit Herbst 2022 werden nur noch sporadisch Fälle gemeldet.

Wirkt der bisherige Mpox-Impfstoff auch gegen die neue Variante Klade Ib?

Wir gehen davon aus, dass dieser ganz gut funktioniert. Die WHO setzt aufgrund der neuen Situation alles dran, Impfstoffe zu beschaffen. Die Europäische Union will sie dabei unterstützen. Für die Notfallvorsorge und -bewältigung plant sie 175'420 Dosen des Mpox-Impfstoffs des Herstellers Bavarian Nordic zu besorgen. Das Pharmaunternehmen wird weitere 40'000 Dosen spenden. Die Verteilung wird die Africa CDC entsprechend dem regionalen Bedarf übernehmen.

Das Gespräch führte Barbara Reye.

Radio SRF 4 News, 15.08.2024, 10:10 Uhr ; 

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