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Hinterkopf eines Seniors mit Hörgeräten.
Legende: Zur Verbesserung der Verständlichkeit wird heute nicht nur bei Hörgeräten ein hoher technischer Aufwand betrieben. imago

Nicht zögern bei Hörgeräten

Jede dritte Person über 60 leidet an Altersschwerhörigkeit. Vielen hilft ein Hörgerät – aber nicht allen.

Jeder Mensch hat bei seiner Geburt etwa 18'000 Hörzellen pro Ohr. Sie wachsen nicht nach, sondern müssen ein Leben lang halten. Doch Lebenswandel, Geräuschbelastung, Verletzungen und der ganz normale Alterungsprozess setzen den Hörzellen zu.

Weil im Laufe der Jahre Hörzellen absterben, hört mit 60 niemand mehr so gut wie mit 10. Auf der anderen Seite nimmt aber auch die Aktivität der Nervenzellen im Hörzentrum des Gehirns kontinuierlich ab. Unter dem Strich sind so 60 Prozent der über 70-Jährigen von Altersschwerhörigkeit betroffen. Die Defizite lassen sich in vielen Fällen gut durch Hörgeräte ausgleichen, umkehren lassen sie sich jedoch nicht. Denn das Ohr ist ein sehr komplexes Organ, entsprechend vielfältig sind die Ursachen für das Hörproblem.

Hohe Töne bleiben ungehört

In den meisten Fällen bleibt zuerst das Hören hoher Töne auf der Strecke. Denn dafür sind die Haarzellen zuständig, die am Eingang der Hörschnecke sitzen. Sie werden am meisten strapaziert und sterben deshalb als erstes ab. Zerstörte Haarzellenkönnen die akustischen Signale nicht mehr in elektrische Reize umwandeln, die dann ins Hörzentrum im Gehirn gelangen. Der Ton findet deshalb sozusagen nicht mehr seinen Weg vom Ohr ins Gehirn.

Im nächsten Schritt tun sich Betroffene zunehmend schwer damit, Konsonanten zu verstehen. Bei starken Umgebungsgeräuschen fällt es dann immer schwerer, einem Gespräch folgen zu können.

Cochlea-Implantate

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Cochlea-Implantate umgehen den Teil des Ohrs, der nicht funktioniert: Sie nehmen die Geräusche auf und wandeln sie direkt in elektrische Impulse um, die wiederum den Hörnerv in der Hörschnecke stimulieren und so die Übertragung der Töne ins Gehirn sichern.

Das Problem: Die feinen Sinneszellen im Ohr wachsen nicht mehr nach, wenn sie einmal zerstört sind. Ein Hörgerät kann helfen, indem es Töne verstärkt, das Gehör gleichwertig ersetzen oder gar heilen kann es jedoch nicht.

Sind zu viele Haarsinneszellen im Ohr zerstört, nützt auch das beste Hörgerät nicht mehr viel. Dann ist ein Cochlea-Implantat bislang die einzige Hoffnung. Diese Innenohrprothese ist für viele zwar ein enormer Fortschritt an Unabhängigkeit, die Klangqualität ist jedoch nicht mit der durch ein gesundes Gehör vergleichbar.

Lieber früh zum Hörgerät greifen

Im Durchschnitt warten Menschen, die nicht mehr gut hören, sieben Jahre, bis sie endlich zum Arzt gehen. Verlorene Zeit, denn mit dem Einsatz einer Hörhilfe sollte man nicht zu lange warten. Denn Hörgeräte verwöhnen das Ohr nicht, sondern trainieren das Gehör: Die Interpretation der Geräusche lernt jeder Mensch ab dem Babyalter. Willkürliche Töne setzen sich so durch Lernen zu Wörtern, dann zu Sätzen zusammen, oder aber zu Musik oder einfach zu Alltagsgeräuschen, die jeder ohne nachzudenken korrekt interpretiert.

Das Problem: Das Gehirn vergisst die Interpretationen wieder, wenn es nicht mehr mit ihnen konfrontiert wird. Nach drei Jahren nimmt die Erinnerung an sie ab, nach sieben Jahren ist sie verblasst. Kommt irgendwann doch ein Hörgerät zum Einsatz, müssen Betroffene erst wieder lernen, mit den Tönen umzugehen. Gerade bei älteren Personen kann das mitunter ein mühsames Unterfangen sein.

Neben technischen Hilfsmitteln forschen Wissenschaftler derzeit fieberhaft an neuen Behandlungsmöglichkeiten: Biologische Therapien wie die Gen-, Stammzellen- und medikamentöse Therapie sollen das Hörvermögen wiederherstellen und Ersatz-Haarzellen züchten. Sollten die derzeit laufenden Studien erfolgreich sein, stünde Patienten möglicherweise in zehn Jahren erstmals eine Therapieform zur Verfügung.

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