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Partydroge gegen Trauma Ecstasy als Therapie – keine US-Zulassung für MDMA

Die Partydroge Ecstasy hilft traumatisierten Menschen. Trotzdem verlangt die US-Arzneimittelbehörde FDA bessere Studien.

Schockierende Erlebnisse hinterlassen Spuren. Ein Terroranschlag, sexuelle Gewalt, Krieg oder Kriegseinsätze beispielsweise sind hochgradig bedrohlich und können Menschen schwer traumatisieren.

Gegen den Schrecken, der nicht vergeht, können Psychotherapie und bestimmte Antidepressiva helfen. Doch etwa die Hälfte der Patienten mit einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) leidet trotz Behandlung weiter.

Die Symptome der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS)

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Traumatisierte Menschen leiden unter verschiedenen Symptomen, die sich in drei Gruppen einteilen lassen:

  • Wiedererleben der traumatischen Erlebnisse in Form von lebhaften Erinnerungen, Flashback oder Albträume, als würde das Erlebte im Hier und Jetzt stattfinden.
  • Vermeidung von Gedanken, Erinnerungen, Aktivitäten, Situationen, Orten oder Menschen, die an das Erlebte erinnern.
  • Extreme Wachsamkeit (Hypervigilanz) und Schreckhaftigkeit wegen eines ständigen Gefühls der Bedrohung.

Bei der neu ins WHO-Diagnosemanual ICD 11 eingeführten Komplexen PTBS kommen zusätzliche Symptome hinzu wie etwa: Probleme, die eigenen Gefühle zu regulieren – wie z.B. Wut oder Angst, negatives Selbstbild mit Scham-, Schuld oder Versagensgefühlen als Reaktion auf das Erlebte; Schwierigkeiten, zwischenmenschliche Beziehungen aufrechtzuerhalten und sich anderen Menschen nahe zu fühlen.

In diesen Fällen kann ausgerechnet eine Partydroge viel bewirken. Ecstasy oder chemisch korrekt MDMA hebt die Stimmung, mildert Ängste und fördert das Vertrauen.

Party-Erfahrungen reichen nicht für die Medikamentenzulassung

Seit Jahrzehnten ist MDMA wegen dieser Effekte eine beliebte Freizeitdroge, deren Wirkung und Nebenwirkungen bestens bekannt sind. Trotzdem hat die FDA ein Gesuch der Pharmafirma Lykos Therapeutics für ein MDMA-Medikament abgelehnt. Mit der Begründung, die eingereichte Studie sei mangelhaft und belege die Sicherheit und Wirksamkeit der Therapie nicht zuverlässig.

Fachleute in den USA sprechen von einem herben Rückschlag für das gesamte Gebiet der therapeutischen Psychedelika-Forschung. Matthias Liechti, Psychedelika-Forscher an der Universität Basel, hält dagegen: «Dieser Entscheid ist paradoxerweise nicht schlecht für die Wissenschaft. Jetzt ist klar, es braucht mehr Studien und damit mehr Forschung.» Die meisten Expertinnen und Experten seien überzeugt, dass das Medikament sicher und wirksam ist.

MDMA – ein stimulierender Wirkstoff, der beruhigt

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MDMA ist ein Amphetamin-Abkömmling und damit eine stimulierende Substanz. In verschiedenen kleineren Studien – sogenannten Phase II-Studien – hat sich gezeigt, dass MDMA ein echter Durchbruch in der Behandlung Posttraumatischer Behandlungsstörungen sein könnte. MDMA erhöht das Level bestimmter Botenstoffe – wie Serotonin, Dopamin, Noradrenalin oder Oxytocin – im Gehirn. Diese Neurotransmitter hängen mit Stimmung, Antrieb und Vertrauen zusammen. Ausserdem moduliert MDMA die Aktivität von Hirnregionen, die mit Ängsten, Beklemmung und Schreckreaktionen zu tun haben.

MDMA wird in Intervallen von Monaten verabreicht. Es löst Gefühle von Nähe aus, auch der Nähe zu sich selbst. Patienten können die traumatischen Erlebnisse und Erinnerungen näher an sich heranlassen und müssen nicht mehr so stark vermeiden. Damit wird eine Konfrontation mit dem Erlebten und eine Verarbeitung der traumatisierenden Inhalte ermöglicht.

MDMA sollte nur in Verbindung mit einer Psychotherapie eingesetzt werden. Nach der Wirkstoffabgabe müssen die Personen bis zu 20 Stunden überwacht werden.

MDMA in der Schweiz: Nicht erlaubt, aber häufig abgegeben

In der Schweiz ist MDMA als Medikament nicht zugelassen. Doch das Bundesamt für Gesundheit BAG kann Ausnahmebewilligungen für die medizinische Anwendung verbotener Betäubungsmittel wie MDMA, LSD oder Psylocibin erteilen. Jährlich würden laut BAG mehrere Hundert traumatisierte Menschen mit MDMA behandelt, sagt Matthias Liechti.

In den USA gibt es keine vergleichbare Sonderregelung. Kritiker sprechen davon, dass psychoaktive Substanzen richtiggehend dämonisiert würden.

Die grosse Angst vor einer neuen Drogen-Epidemie in den USA

Tatsächlich ist die Angst vor einer neuen Drogen-Epidemie gross. Die Opioid-Krise fordert in den USA jedes Jahr 100'000 Todesopfer. Matthias Liechti vermutet, dass Psychedelika daher besonders streng beurteilt würden: «Man macht die Gleichung ‹Drogen = Gefahr›.» Liechti nimmt auch eine Polarisierung wahr: «Die Firma, die das MDMA-Gesuch eingereicht hat, hat stark lobbyiert. Die Stimmung ist aufgeladen. Es gibt Befürworter und Gegner. Das ist unüblich bei einer Medikamentenzulassung».

Die Firma, die das MDMA-Gesuch eingereicht hat, hat stark lobbyiert. Die Stimmung ist aufgeladen.
Autor: Matthias Liechti Psychedelika-Forscher an der Universität Basel

Es wird Jahre dauern, bis die von der FDA geforderten Studien vorliegenden. Auch in der EU wird die Pille gegen das Trauma nicht so bald erhältlich sein. In der Schweiz geht die MDMA-Therapie weiter den Sonderweg der Ausnahmebewilligung. Einen Weg, den sich nicht alle leisten können. Ein Behandlungszyklus kostet – inklusive Wirkstoff und mehrstündiger Überwachung bis zu 3'500 Franken.

Wissenschaftsmagazin, 17.8.2024, 12:40 Uhr

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