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Paten für Kinder psychisch kranker Eltern

Jedes zweite Kind in psychiatrischer Behandlung hat auch psychisch kranke Eltern. Ein Pilotprojekt in Basel will mit einem Patensystem die Chance der Kinder erhöhen, gesund zu bleiben.

Die psychisch kranke I. M. war gleich von dem Patenkonzept überzeugt, als ihr langjähriger Psychiater ihr davon erzählte. Seit einem halben Jahr verbringt ihr fünfjähriger Sohn Silas einen halben Tag pro Woche mit einer Patin. «Für Silas ist das ein Stück Familie, das er dann bekommt – ein Stück Grossmami-Ersatz, eine zuverlässige Person. Für mich ist es extrem schön zu sehen, wie da eine Freundschaft entsteht», erzählt die 37-jährige Mutter.

Silas sei offener geworden, seit er seine Patin regelmässig besucht. Denn seine psychisch kranke Mutter lebt wie viele psychisch Kranke sehr isoliert – einen Partner hat sie nicht. Bis die Patin in ihr Leben trat, war sie der einzige Bezugspunkt im Leben ihres Sohns.

Vita W., die 73-jährige Patin, hat Erfahrung mit Kindern, auch dank eigener Enkelkinder. Aber irgendwann spürte sie, dass sie über die Familie hinaus noch Zeit hat für Freiwilligenarbeit. «Ich bekomme sehr viel zurück», erzählt sie. «Ich sehe, wie Silas sich in die Welt wagt.» Erst kürzlich war sie an einem heissen Tag mit ihm im Park, wo ein grosser Rasensprenger lief. Silas ist im Kreis des Rasensprengers mitgerannt. «Es war so schön zu sehen, wie er über den Rasen fliegt und einfach Freude hat», erinnert sie sich.

Für Silas ist das kein selbstverständliches Vergnügen. Vita W. geniesst in ihrer Zeit mit Silas vor allem, sich voll und ganz nur auf das Kind konzentrieren zu können. «Für den Rest bin ich nicht verantwortlich», erklärt sie. Kommt es zu schwierigen Situationen, kann sie sich jederzeit Rat von einer Sozialpädagogin holen.

Erst zehn Patenschaften

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Bislang existieren erst zehn solcher Patenschaften – alle betreuten Kinder haben alleinerziehende, psychisch kranke Mütter. Es gibt bereits eine Warteliste.

In deutschen Städten haben sich solche Patenschaften längst etabliert, ihr positiver Effekt ist durch Studien inzwischen mehrfach belegt. In der Schweiz jedoch gibt es bisher ausser dem Basler «HELP! For Families» praktisch keine solchen Präventionsangebote.

Gerade mit Blick in die Zukunft gewinnt dieses Manko an Gewicht, denn psychische Erkrankungen werden bis zum Jahr 2020 die zweithäufigste Erkrankung weltweit sein, prognostiziert die Weltgesundheitsbehörde WHO. Schon aktuell leben in der Schweiz etwa 20'000 Kinder mit psychisch kranken Eltern. Diese Kinder tragen ein sechsfach höheres Risiko, später auch zu erkranken.

«Das ist ein Mittelwert und hängt sehr davon ab, welche Erkrankung die Eltern haben», erklärt Daniel Sollberger, leitender Facharzt der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel. «Bei den Schizophrenien weiss man zum Beispiel: Wenn ein Elternteil erkrankt ist, ist das Risiko der Kinder etwa 13-fach erhöht.»

«Reparaturmedizin» statt Prävention

Immer mehr Kinder werden also in Zukunft in einer belastenden Umgebung aufwachsen und sich dann möglicherweise später im Leben nicht zurechtfinden – weil sie keine ausreichende Hilfe erhalten. Ihnen würde die Stabilität beispielsweise einer Patenschaft gut tun. «Viele Projekte kommen aber nicht zustande, weil die Finanzierung ein Problem ist», bemängelt Psychiater Daniel Sollberger.

Beim Bundesamt für Sozialversicherungen ist man sich dieser Problematik bewusst, verweist aber auch aufs Gesundheitssystem. Doch im Schweizer Gesundheitssystem haben solche Präventivmassnahmen bisher einen schweren Stand – auch wenn eine «Reparaturmedizin» teurer ist als eine präventive.

Vor noch nicht allzu langer Zeit hat der Krankenkassenverband Santésuisse ein Präventionsgesetz im Parlament zur Diskussion gestellt, doch da hiess es: «Prävention ist eine Frage der Selbstverantwortung.» Für Kinder und ihre psychisch Kranken Eltern, die gerade mit dieser Verantwortung an ihre Grenzen stossen, ist das ein schwieriger Grundsatz. «Es braucht in der Tat eine stärkere politische Lobby gerade für die Kinder, um vorausschauend vorbeugen zu können», kritisiert Daniel Sollberger. «Die Kinder – die sind die Ungehörten.»

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