Jährlich erhalten in der Schweiz über 700 Menschen einen künstlichen Darmausgang. Der Grund dafür ist in den meisten Fällen Krebs oder eine chronische Darmerkrankung, die eine operative Entfernung des Enddarmes erfordert. Der Kot tritt danach über eine Hautöffnung im Bauch aus und wird in einem Beutel aufgefangen.
Einige der Betroffenen können das Unvermeidbare besser akzeptieren, andere tun sich sehr schwer damit. Das Selbstwertgefühl leidet unter dieser Situation, Betroffene fühlen sich nicht mehr attraktiv, haben ständig Angst, Aussenstehende könnten den Stomabeutel sehen oder riechen.
Der Stomahersteller Dansac Hollister möchte solchen Patienten künftig Hilfe anbieten. Sie haben die Stylistin Denise Yannoulis damit beauftragt, eigens für Stomaträger ein Konzept auszuarbeiten. Für die Styling-Beratung bezahlt man momentan noch den üblichen Stundenansatz von 150 Franken pro Stunde, jedoch ist für die Zukunft eine Beteiligung der Firma angedacht.
SRF: Frau Yannoulis, wie läuft so eine Styling-Beratung bei Ihnen ab?
Denise Yannoulis: Als erstes setzen wir uns zusammen und schauen uns die Situation an und wo der Schuh drückt. Wer ist die Patientin – und wie sieht sie sich selbst? Stimmt dieses gefühlte Bild überein mit demjenigen, das sie nach aussen hin zeigen will? Dann definieren wir ihren Stil, finden anhand von Farbmustern heraus, welche Farben für die Kundin die Richtigen sind. Denn passt die Farbe des eigenen Teints mit den anderen überein, beginnt die Haut zu leuchten, wirkt vital.
Es entsteht eine Farbenharmonie über die ganze Erscheinung und macht gleichzeitig die ganze Garderobenkomposition viel einfacher. Auf Wunsch schauen wir uns danach gemeinsam ihre Garderobe an und sortieren aus. Und halten fest, was wir auf einer anschliessenden Shoppingtour an Kleidungsstücken allenfalls noch ergänzend dazukaufen.
Was müssen Menschen mit Stoma bei der Kleiderwahl beachten?
Es ist ähnlich wie bei der Umstandsmode – nur ein kleiner Bereich verlangt nach etwas mehr Aufmerksamkeit. Grundsätzlich kann man fast alles tragen, mit Ausnahme eines hautengen Abendkleids vielleicht. Jacken oder ein weit herabfallender Schal kaschieren das Stoma problemlos. Ein weiterer, optischer Trick sind Muster oder Farbwechselspiele: Sie ziehen den Blick auf sich – und weg von einer eventuellen Wölbung durch den Stomabeutel.
Auch Oberteile mit ein bisschen Spiel und Bewegung um die Taille lenken vom Stoma ab – zum Beispiel, wenn sie leicht gerafft sind. Auch sehr geeignet sind Tuniken, elegant und doch locker genug um den Bauch. Bei den Hosen wählen viele Stomaträger und -trägerinnen sehr hohe Schnitte, die fast bis zur Taille gehen. Das ist jedoch gar nicht immer nötig. Ist das Material elastisch genug, kann die Hose durchaus auch etwas tiefer geschnitten sein, solange das dazu getragene Oberteil lang genug ist.
Kann man mit einem künstlichen Darm ins Schwimmbad oder an den Strand?
Selbstverständlich. Bei Badekleidern, die tief geschnitten sind und aus kompaktem Material bestehen, bleibt die Versorgungsanlage gut fixiert und kaschiert. Am besten wählt man auch hier ein Badekleid mit Muster. Es gibt sogar speziell für Stomapatienten entworfene Bademode und Unterwäsche, die in der Schweiz über Publicare erhältlich ist.
Finden Stomaträger nicht auch selbst mit der Zeit heraus, welche Kleider sie noch tragen können?
Den Stomabeutel zu kaschieren ist nicht schwierig und die passenden Kleider zu finden auch nicht. Die wirkliche Problemzone ist der Kopf: Von einem Moment auf den nächsten hat sich der Körper stark verändert, und manche Patienten können das neue Aussehen ihres Körpers nicht akzeptieren.
Es ist das grosse Thema rund um die Eigenliebe: Wenn ich mir selbst nicht gefalle, fühle ich mich nicht wohl – und ist mein Styling noch so perfekt. Bei meinen Stylingberatungen geht es darum in erster Linie um diesen eigenen Stil und Look. Die Stomatasche rückt damit automatisch in den Hintergrund, die Patienten empfinden wieder Freude an sich selbst. Und merken, dass das Stoma in ihrem Leben gar nicht den grossen Platz einnehmen muss, den sie ihm bis anhin eingeräumt haben. Diese Freude an sich selbst ist mein eigentliches Ziel.