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Der Darm, unser Schwerarbeiter

Er gluckert, knurrt, brodelt: Der Darm arbeitet hörbar, manchmal auch fühlbar. Und sehr eigenverantwortlich.

Der Darm verdaut, fordert Nachschub, meldet ein dringendes Bedürfnis. Von seiner Arbeit bekommen wir mehr mit als von der jedes anderen Organs.

Während das gesunde Herz unablässig und unauffällig seinen Dienst tut, Leber und Nieren lautlos und diskret entgiften, ist der Menschen einen guten Teil seines Lebens damit beschäftigt, seinen Darm ganz bewusst bei Laune zu halten. Ein 75-Jähriger hat sich so über die Jahre 30'000 Kilo feste Nahrung und 50'000 Liter Flüssigkeit einverleibt. Das heisst: Gut das Tausendfache seines eigenen Körpergewichts ist durch das Verdauungsorgan gewandert.

70 Stunden dauert die Reise von Verwertbaren von der Speiseröhre bis zur Ausscheidung im Schnitt. Mithilfe von einigen 100 Millionen Muskelzellen, die sich ständig kontrahieren und entspannen, schiebt der Darm das Essen durch seine zwölf Meter Länge. 100 Millionen vor Ort sitzende Nervenzellen steuern diese Kraftarbeit eigenständig – das sind mehr Nervenzellen, als sie das Gehirn besitzt.

Sonderausstattung zum Selbstschutz

Kein Wunder, dass umgangssprachlich vom «Darmhirn» die Rede ist. Gemeint ist das sogenannte enterische Nervensystem des Darms, also ein vom Gehirn unabhängig arbeitendes Nervensystem. Diese Sonderausstattung ist hilfreich: Wäre das Gehirn allein für die Steuerung des Darms verantwortlich, könnten wir an nichts anderes mehr denken.

Dennoch: Der Darm und das Gehirn tauschen ständig Informationen aus. Der Informationsfluss strömt dabei aber vor allem vom Bauch aus in Richtung Kopf. Unter normalen Bedingungen blendet das Gehirn die Informationen aus dem Bauch einfach aus. Nur bei Bauchweh vor Anspannung oder Durchfall vor Nervosität haben sich deutlich Reize aus dem Gehirn auf das Verdauungsorgan niedergeschlagen.

Von guten und schlechten Futterverwertern

Auch wenn sich die Grundausstattung bei jedem gesunden Menschen gleicht, identisch ist die Arbeit des Darms bei keinem. Denn bei manchen arbeitet er hocheffizient. Ihm gelingt es, aus dem letzten Schnipsel Verwertbarem noch Reserven für seinen Dienstherren zu ziehen. Der ist darüber nicht immer dankbar, denn er setzt schneller Fett an als andere, die essen können, was sie wollen, ohne davon etwas auf der Waage zu spüren.

Warum das so ist, ist wie vieles, was den Darm betrifft, noch nicht hinreichend erforscht. Mittlerweile hat sich die Wissenschaft immerhin dahingehend geeinigt, dass es verschiedene «Entero-Typen» gibt. Sie werden unterschieden nach den im Darm dominierenden Keimen. Die Anzahl variiert je nach Anschauung. So ist beispielsweise eine Aufteilung in drei Typen möglich:

  • Typ 1: Kohlehydrat spaltende Bakterien besonders vertreten
  • Typ 2: Eiweiss spaltende Bakterien besonders vertreten
  • Typ 3: Bakterien, die an Spaltung von Zucker beteiligt sind

Was das aber genau bedeutet, ist unklar. Klar ist nur, dass sie verschieden gut Nahrung verdauen. Sich darüber zu grämen, ist vergeudete Energie. Ein Schwerarbeiter darf schliesslich seine Eigenheiten haben.

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