Franz Vollenweiders Rat ist gefragt: Seit ein paar Jahren suchen Forscherinnen und Forscher auf der ganzen Welt mit psychoaktiven Drogen nach einem Heilmittel, um psychische Krankheiten besser behandeln zu können. Immer wieder klingelt während des Interviews sein Telefon.
Der Bewusstseinsforscher hat über 30 Jahre lang zu Psilocybin geforscht, dem Wirkstoff in «Magic Mushrooms», und seit einigen Jahren auch zu LSD. Ihn fasziniert die Wirkung der Substanzen auf das Gehirn. Will man verstehen, warum gerade die Schweiz einen weltweiten Forschungstrend ausgelöst hat, muss man mit Vollenweider sprechen.
SRF: Wie schwierig ist es, mit Psychedelika zu forschen?
Franz Vollenweider: Man durfte in der Schweiz immer mit Psychedelika forschen. Die Hürde ist nur: Das BAG muss eine Ausnahmebewilligung geben. Aber die ist im Gesetz verankert. Das Burghölzli, die Psychiatrische Uniklinik Zürich, hat früh gute Grundlagen für die Forschung mit Psychedelika geschaffen. Davon habe ich sehr profitiert.
Ich war lange der Einzige. Während 15 Jahren hat kein Mensch zu Psychedelika geforscht.
Mein Vorgänger Adi Dittrich war da der Papst in den 1970er-Jahren. Er hat in vielen Studien über 10 Jahre die grundlegenden psychologischen Wirkungen von Psychedelika wie Meskalin, Cannabis, Psilocybin oder Ayahuasca aufgeschlüsselt – er hat alle Hypes untersucht. Teil seiner Forschung war es auch, herauszufinden, inwiefern neben der Dosis auch andere Faktoren die Wirkung der Psychedelika beeinflussen.
Dabei war da LSD schon verboten. Seit 1971 steht es im Schweizer Betäubungsmittelgesetz. Wurde trotzdem auch am Menschen geforscht?
Ja, das machten die Psycholytiker (Forscher, die der Ansicht sind, dass Psychedelika bei Traumata helfen können; Anm. d. Red.). Die Substanzen sollen die Psyche anstossen, um Verdrängungen zu lösen und Emotionen hochzuholen. Also Gefühle und traumatische Erinnerungen nicht rational beschreiben, sondern erleben und im therapeutischen Setting neu bewerten und aufarbeiten – mit der Hilfe eines psychedelischen Trips. Das war der Trend in der Schweiz!
Ich habe die Gruppe um den Solothurner Psychiater Peter Gasser 1986 kennengelernt. Die haben damals etwa 150 Leute mit MDMA, also Ecstasy, und LSD erfolgreich therapiert. Das war möglich. Das hatte Tradition: die Psyche erforschen, das Hirn erforschen.
Gab es keine Kritik?
Ich selbst hatte schon ein komisches Gefühl, als ich nach Studien mit Gesunden begonnen habe, mit Psilocybin an Patienten zu arbeiten. Da habe ich mich schon gefragt, wie die Leute reagieren werden... Aber ich bin nie angeeckt.
Beruhigend war, dass wir von 400 Versuchen an Gesunden schon eine umfassende Einsicht in die Wirkmechanismen von Psilocybin hatten, um spezifische Forschungs-Hypothesen zu formulieren. Dabei hatten wir auch sehr viele klinische Daten aus den 1960-Jahren konsultiert.
Hat es diese Forschungstradition leichter gemacht, Sonderbewilligungen für Studien mit Psychedelika zu bekommen?
Ich hatte beim BAG immer offene Türen. Die Schweiz hatte einen Vorteil gegenüber Deutschland oder den USA. Man kannte die Leute, konnte anrufen oder vorbeigehen und Fragen klären. Das war sehr positiv.
Sie haben Anträge trotzdem genau unter die Lupe genommen, auch mal nachgefragt – das ist ein riesiges Dossier, das man bei den Behörden einreicht. Da hatte die Schweiz einen Vorteil mit ihrer Grösse.
Sie gelten als Pionier in der Psychedelika-Forschung.
Psychedelika regen je nach Dosierung die Emotionen an, lösen die Fokussierung auf negative Emotion und bringen deren Verarbeitung in eine positive Richtung.
Wir konnten zeigen: Das hat Hand und Fuss. Schon eine moderate Dosis Psilocybin beeinflusst die Emotionsverarbeitung nachhaltig. Auch nach Monaten sieht man noch positive Veränderungen im Gehirn.
Wir sind weltweit die einzige Gruppe, die Nationalfondsgelder dafür bekommen.
Unterdessen sind Psychedelika in der Forschung weltweit im Trend. Bauen alle diese neuen Studien auf Ihrer Forschung auf?
Ja, zumeist. Ich und meine Mitarbeiter hatten viele der neurobiologisch Mechanismen, die für die Depressionsbehandlung zentral sein könnten, aufgedeckt und in hochrangigen wissenschaftlichen Journalen publiziert. Ich war lange der Einzige. Während 15 Jahren hat kein Mensch etwas dazu gemacht.
Manchmal hätte ich mir gewünscht, da wäre noch ein zweiter gewesen. Man hat ja nur sein Labor und seine Daten. Heute gibt es viele kleine Zentren, in London, New York, San Diego, sogar in Australien.
Und schauen die Forschenden in der Welt heute noch neidisch auf die Schweiz?
Wir sind weltweit die einzige Gruppe, die von nationalen und internationalen Forschungsprogrammen gefördert wird. Das ist in der Forschung immer ein Gütezeichen: Wenn eine Studie staatlich nicht unterstützt wird, heisst es schnell einmal: «Da bastelt nur einer herum.» Deswegen schauen sie schon noch auf uns. Das ist befriedigend.
Das Gespräch führte Ramona Drosner.