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Coronavirus – Wie stark ist das Spitalpersonal betroffen?
Aus Puls vom 04.05.2020.
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Studie soll Klarheit bringen Der Corona-Dunkelziffer auf der Spur

Antikörpertests liefern erste Hinweise über die Verbreitung des Coronavirus beim Spitalpersonal. Die Studie in St. Gallen zeigt dabei auch die Limiten der verfügbaren Schnelltests auf.

Wie viele Menschen haben das Coronavirus schon gehabt, vielleicht ohne es zu merken? Wie gross ist die Dunkelziffer? Das ist eine der momentan drängendsten Fragen der Coronapandemie.

Im stark betroffenen Kanton Genf scheinen sich gemäss vorläufigen Daten rund 5 Prozent der Bevölkerung bereits mit dem Coronavirus infiziert zu haben. In St. Gallen läuft derzeit eine Studie, die das potenziell besonders gefährdete Spitalpersonal im Fokus hat.

Dunkelziffer

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Die Dunkelziffer stammt aus der Kriminalstatistik, wo sie die Grösse des Dunkelfelds bezeichnet: Die Differenz der amtlich registrierten Straftaten (Hellfeld) und der vermutlich begangenen Kriminalität.

Im übertragenen Sinn steht die Dunkelziffer im Gesundheitswesen für das Missverhältnis zwischen diagnostizierten, gemeldeten und statistisch erfassten Krankheitsfällen und der tatsächlichen Häufigkeit einer Krankheit in der Bevölkerung (Prävalenz).

Die Studie hat Ende März begonnen, als Versuchspersonen daran beteiligt sind rund 1000 Mitarbeitende des Kantonsspitals St. Gallen, von der Ärztin bis zum Elektrotechniker.

Bis im Juli dieses Jahres werden sie regelmässig per Handy oder Computer befragt: Hatten sie Krankheitssymptome, hatten sie Patientenkontakt oder privat Kontakt zu Erkrankten? Was haben sie in der Freizeit gemacht? Regelmässig ein paar Tropfen Blut abgeben, gehört auch dazu.

Viele Beteiligte erhoffen sich natürlich persönliche Gewissheit darüber, ob man das Coronavirus schon hinter sich hat oder nicht. Studienleiter Philipp Kohler geht es um ein übergeordnetes Ziel: «Wir möchten gerne die Dunkelziffer einschätzen können, von der alle reden.»

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«Die Tests zeigen je nach Hersteller unterschiedliche Reaktionen.»
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Eine wichtige Erkenntnis nach dem ersten Monat: Die Schnelltests liefern sehr unsichere Ergebnisse. Deshalb werden im Zweifelsfall verschiedene Tests pro Blutprobe gemacht. Deren Ergebnis wird dann zur Sicherheit mit einem aufwändigen Labortest einer späteren Blutprobe abgeglichen.

«So können wir wirklich zeigen, was mit diesen Antikörpern über die Zeit passiert», erklärt Immunologe Philipp Kohler. Denn ein positiver Schnelltest kann auch bloss eine Schnellantwort des Immunsystems anzeigen. «Zeigen sich in den nächsten Blutentnahmen dann tatsächlich auch spezifische Antikörper, gibt uns das die Sicherheit, dass der Patient oder die Patientin die Infektion tatsächlich durchgemacht hat.»

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«Nur ein bis zwei Prozent aller Mitarbeiter zeigen ein starkes, eindeutig positives Resultat.»
Aus Puls vom 04.05.2020.
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Nach den ersten Tests sah es noch so aus, als hätten sich 5 bis 6 Prozent der Mitarbeitenden mit dem Coronavirus infiziert. Doch mit den Nachtestungen zeigt sich nun ein anderes Bild: «Die Analysen der ersten Blutentnahme Anfang April lassen darauf schliessen, dass wirklich noch sehr wenige Leute schon Kontakt mit dem Virus hatten», sagt Philipp Kohler. «Es sind nur 1 bis 2 Prozent aller Mitarbeitenden, die ein starkes, eindeutig positives Resultat zeigten.»

Bei der Interpretation dieser bisherigen Erkenntnisse gibt sich der Infektiologe des Kantonsspitals St. Gallen jedoch betont zurückhaltend. Auch, weil ein wichtiger Aspekt immer noch ungeklärt ist: «Wir wissen nach wie vor nicht, ob eine Infektion einen Schutz vor einer erneuten Infektion bedeutet. Und wenn ja, wie gut diese Immunität ist und wie lange sie anhält.»

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«Antikörper zeigen, dass man Kontakt mit dem Virus hatte – aber nicht, ob und wie lange man immun ist.» Studiogespräch mit Matthias Egger, Präsident Covid-19 Science Task Force des Bundes.
Aus Puls vom 04.05.2020.
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Puls, 04.05.2020, 21:05 Uhr

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15 Kommentare

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  • Kommentar von Marc Schlatter  (Marc Rafael)
    Herr Egger betont, wie lange ein körpereigener Immunschutz halten würde, sei sehr ungewiss (bei anderen Coronaviren halte er oft nicht lang). Prof. Drosten - man mag von seiner Rolle halten, was man will, aber er gilt als weltweit führender Experte für Coronaviren und warnt vor einer verfrühten Lockerung: Der Schutz halte möglicherweise nicht so lang wie beim ersten Sars, aber mit ein, zwei Jahren sei zu rechnen. Herr Egger hätte klarerweise ein Motiv, die öffentliche Wahrnehmung zu lenken...
    1. Antwort von Marc Schlatter  (Marc Rafael)
      Wie übrigens ja auch die WHO - dass man dort keinen Immunitätspass will ist an sich nicht mal schlecht.
  • Kommentar von Christian Bischof  (Christian Bischof)
    Mit grossem Verständnis, die Zahl R zu kennen und auch die Wirkungen der jeweiligen Massnahmen... wissen werden wir es erst nach breiten randomisierten (= in diesem Fall zufällige Auswahl der gesamten Bevölkerung) Studien, die wohl erst in Monaten vorliegen werden. Alles vorher passiert mit bestem Wissen und Gewissen.
    1. Antwort von Jean Piere Grano  (J.-P. Grano)
      "randomisierten (= in diesem Fall zufällige Auswahl der gesamten Bevölkerung) Studien" In Österreich gibt es bereits ZWEI genau solche Studien, eine Anfangs April, eine jetzt gerade fertig. Warum in der Schweiz darüber nicht berichtet wird kann ich nicht sagen...
    2. Antwort von Marc Schlatter  (Marc Rafael)
      Wie sollen sich die Leute schützen wenn man sie von China aus und dann auch hier und weiterhin in falscher Sicherheit wiegt?
    3. Antwort von Marc Schlatter  (Marc Rafael)
      Pardon, das war zu meinem Kommentar von unten gemeint (flächendeckender 'Schutz' vs gezielter Schutz)
  • Kommentar von Jean Piere Grano  (J.-P. Grano)
    Es sollte auch untersucht werden, welche Wirkungen die diversen Massnahmen hatten. Gemäss dem Verlauf der Reproduktionszahl R in https://ncs-tf.ch/en/situation-report sank diese bereits ab 7.3. von 1.78 linear bis 19.3. auf 1.0 nachdem erst am 17.3. der shutdown erfolgte. Ab diesem shutdown wurde die Abnahme von R immer langsamer und blieb am 29.3 nahezu stabil bis heute bei 0.75 bis 0.76
    Waren Hygienregeln und Grossveranstaltungsverbot also am wichtigsten, nicht der shutdown?
    1. Antwort von Michel Koller  (Mica)
      Jede Massnahme hat einen bestimmten Einfluss auf die Reproduktionsrate. Dieser sinkt, wie man sieht, nicht einfach linear weiter, selbst mit zusätzlichen Massnahmen. Je tiefer er fällt, desto umfangreicher müssten die Massnahmen sein, um ihn weiter zu senken. Man muss sich auch vor Augen führen, dass Entscheidungen getroffen werden mussten, ohne, dass man die exakten Zahlen und die Auswirkungen der Massnahmen kannte. Das wird heute irgendwie vergessen oder nicht verstanden.
    2. Antwort von Jean Piere Grano  (J.-P. Grano)
      @Mica: Das sind zunächst mal nur Hypothesen. Wenn ab 11. Mai und 7. Juni die Reproduktionszahl weiterhin deutlich unter 1 bleibt ist anzunehmen, dass der Effekt des shutdown war, den Wert von 0.9 auf 0.75 zu senken. Sie Senkung von 1.8 auf unter 1 war dann die Folge allein der Hygienmassnahmen und das Grossveranstaltungsverbot. Problem: Insbesondere das Abstandsgebot wird in den nächsten Tagen nachlässiger gehandhabt werden, siehe etwa die 4-Personen-Tische in den Beizen.
    3. Antwort von Marc Schlatter  (Marc Rafael)
      Ob es überhaupt klug ist, R noch immer unter 1 zu drücken, fragen noch die wenigsten - obwohl schon kaum noch jemand auf die Impfung hofft (die Zweifel am körpereignen Immunschutz streut man nicht von ungefähr). Die Welle aus dem Süden hat uns v. A. deshalb so stark erfasst, weil dort die Dunkelziffer anfangs so massiv unterschätzt worden ist (zur Zeit von 150 bestätigten Fällen in Italien etwa 26000). Haben wir gelernt oder sind wir noch in ganz anderer Hinsicht noch nicht ganz über den Berg?