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Kleingeschnittenes Gemüse auf einem Brett.
Legende: Auf jeden Fall gesund – das Credo der Orthorektiker. imago

Trend zur Essstörung Orthorexie: Gesund, gesünder, verbissen

Alle wollen gesund essen. Mehr Vitamine, weniger Fett – Ratschläge gibt es überall. Wer nicht gesund isst, wird schräg angeschaut. Kein Wunder, dass es da Leute gibt, die übertreiben. Für sie wird das gesunde Essen zum Zwang. Das nennt sich Orthorexie.

Sich gesund zu ernähren, auch einmal zu hinterfragen, was man denn da gerade zu sich nimmt, macht durchaus Sinn. Zwanghaft wird es erst dann, wenn bei jeder Mahlzeit jedes Lebensmittel auf seinen Nähr- und Gesundheitswert hin geprüft wird, bevor es auf den Teller kommt. Eine 2010 im Auftrag des BAG durchgeführte Befragung zeigte, dass fast ein Drittel der Befragten angab, sich übermässig mit dem Gesundheitsaspekt der Ernährung zu befassen und sich so an strenge, selbst auferlegte Regeln zu halten.

«Es freut mich, wenn mir Leute von ihrem gesunden Essverhalten erzählen», sagt Ernährungsberaterin Helena Kistler. «Doch wenn alles schon perfekt ist und sie trotzdem noch Verbesserungsvorschläge wollen oder dauernd von schlechtem Gewissen geplagt werden, dann führt das zu weit.»

Grosse Grauzone

Die Grenze zwischen gesundem Essen und zwanghaft gesundem Essen ist fliessend, die Grauzone breit. Anzeichen für eine Orthorexie sind, «wenn Sie unruhig werden, wenn Sie sehr viel ans Essen und die Essensplanung denken, wenn Sie eingeschränkt sind, wenn Sie an nichts anderes mehr denken können oder wenn Sie sich isolieren.» Ungesundes – oder was dafür gehalten wird, wird nicht verziehen, es werden Vitamine gezählt, der Spass fehlt.

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Was also ist zu tun, wenn das gesunde Essen zwanghaft wird? «Wir sollten wieder mehr auf unseren Bauch hören und essen, wozu wir Lust haben. Wir sollten dran denken: Nicht die Lebensmittel sind gesund oder ungesund, unser Verhalten ist es», sagt Helena Kistler.

Orthorexie-Test

Der Begriff Orthorexie besteht aus den griechischen Wörtern «orthos» für richtig und «orexis» für Appetit. Erschaffen hat diesen Begriff Steven Bratman, ein amerikanischer Arzt. Er hat auch den Bratman-Test für Orthorexie entwickelt:

  1. Denken Sie mehr als drei Stunden am Tag über Ihre Ernährung nach?
  2. Planen Sie Ihre Mahlzeiten mehrere Tage im Voraus?
  3. Ist Ihnen der ernährungsphysiologische Wert Ihrer Mahlzeit wichtiger als die Freude an deren Verzehr?
  4. Haben Sie das Gefühl, je gesünder Sie sich ernähren, desto schlechter sei Ihre Lebensqualität?
  5. Sind Sie in letzter Zeit mit sich strenger geworden?
  6. Steigert sich Ihr Selbstwertgefühl durch gesunde Ernährung?
  7. Verzichten Sie auf Lebensmittel, die Sie früher gerne gegessen haben, um nun «richtige» Lebensmittel zu essen?
  8. Haben Sie durch Ihre Essensgewohnheiten Probleme auszugehen und distanzieren Sie sich dadurch von Freunden und Familie?
  9. Fühlen Sie sich schuldig, wenn Sie von Ihrer Diät abweichen?
  10. Fühlen Sie sich glücklich und unter Kontrolle, wenn Sie sich gesund ernähren?

Je mehr dieser Fragen Sie mit «Ja» beantworten, desto zwanghafter ist Ihr Essverhalten.

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