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Bauch mit Süssstoffpillen
Legende: Viele Übergewichtige süssen künstlich, um nicht zuzunehmen. Israelische Forscher stellen das in Frage. imago/basf

Verfrühter Alarm um künstliche Süssstoffe

Israelische Forscher sagen: Künstliche Süssstoffe senken das Diabetes-Risiko nicht, sondern können es sogar erhöhen. Viele Medien haben diese beunruhigende Botschaft verbreitet. Diabetologen warnen aber vor voreiligen Warnungen: Die Erkenntnisse seien sehr unsicher.

Die Studie im Fachmagazin «Nature» beschreibt aufwändige Experimente, bei denen Mäuse über Tage und Wochen künstlich gesüsstes Wasser getrunken haben. Dabei haben die Forscher vom israelischen Weizmann-Institut beobachtet, dass im Blut der Mäuse der Glukosespiegel zeitweise übermässig angestiegen ist. Das ist seltsam, weil sie ja eben künstliche Süssstoffe gefüttert bekamen und keinen Zucker – und es lässt aufhorchen, denn ein erhöhter Blutzuckerspiegel kann ein Vorläufer von Diabetes sein.

Als zweites ist den Forschern aufgefallen, dass sich im Darm der Mäuse das Ökosystem stark verändert hatte: Ihr Darm beherbergte plötzlich eine veränderte Bakteriengemeinschaft. Und wenn diese veränderte Bakteriengemeinschaft in den Darm von anderen Mäusen transferiert wurde, hatten diese danach ebenfalls einen zeitweise erhöhten Blutzuckerspiegel.

Süssstoffe beeinflussen Bakterien

Es sieht also so aus, dass die Süssstoffe die Bakterienzusammensetzung im Mäusedarm verändern und dies wiederum den Blutzuckerspiegel beeinflusst. Die Forscher untersuchten danach, ob dies auch im Menschen so abläuft. Darum haben sie analoge Versuche mit sieben Menschen gemacht – und den Zusammenhang bei vieren tatsächlich auch beobachtet.

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Die Studienautoren nehmen ihren Befund ernst und meinen, man müsse unbedingt weiter untersuchen, was die künstlichen Süssstoffe da im Körper bewirken. Eran Elinav vom Forscherteam sagte an einer Medienkonferenz gar, er werde nun keine künstlichen Süssstoffe mehr konsumieren.

Studie zu klein für allgemeingültige Aussagen

Die Fachwelt mag sich dieser Aussage so nicht anschliessen. Die Versuche seien aus wissenschaftlicher Sicht zwar interessant, aber noch kein Anlass, um Alarm zu schlagen oder gar vom künstlich Gesüssten zum Zuckrigen zu wechseln: «Die Ergebnisse der Studie sind noch zu unsicher, als dass jemand, der abnehmen muss, nun statt künstlich gesüssten Getränken wieder zu Cola oder Orangensaft wechseln sollte», sagt Marc Donath, Chefarzt der Diabetologie am Universitätsspital Basel.

Das Hauptproblem der Studie besteht in ihrer Grösse respektive der Kleinheit des menschlichen Studienteils: Sieben Probanden sind für eine allgemeingültige Aussage einfach viel zu wenig.

Hinzu kommt, dass die Studie zwar viele interessante Beobachtungen macht, aber fast noch mehr Fragen aufwirft. Zum Beispiel ist es völlig unklar, wie die veränderte Bakterienzusammensetzung im Darm zu dem erhöhten Blutzuckerspiegel führen soll.

Abwarten und Wasser trinken

Fazit: Bevor wir unsere Essgewohnheiten umstellen, sind noch einige weitere Forschungsarbeiten nötig. Für den Alltag heisst das weiterhin: bei Übergewicht lieber künstliche Süssstoffe statt Zucker – und statt künstlich gesüssten Getränken am besten Wasser.

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