SRF: Wie wurden Sie zur Stiefmutter?
Ria Eugster: Ich habe vor 18 Jahren als geschiedene und alleinerziehende Mutter von zwei Töchtern von fünf und sieben Jahren per Zeitungsinserat einen Mann mit eigenen Kindern gesucht.
Als Liebespartner oder als Familienvater?
Ich suchte einen Liebespartner, der gut mit meinen Kindern umgehen würde. Meine Absicht war zudem: Ich unterstütze und «rette» den Mann mit seinen Kindern und kann dadurch meine Fähigkeiten beweisen. Ich wurde für ihn zur Liebes- und Familienpartnerin. Nur hatte dieser Rettungsgedanke den Haken, dass ich mich damit von seiner Anerkennung abhängig machte. Dies führte logischerweise vorübergehend zu Frust.
Das ist Ihre Erwachsenenoptik, hatten Sie keine Angst vor dem Widerstand der Kinder?
Ich war verliebt, im siebten Himmel und voller Zuversicht. Seine drei Töchter, 11, 15, 20 Jahre alt, waren mir von Anfang an sympathisch, sie haben mich jedoch völlig abgelehnt. Jetzt, wo sie sich nach der Scheidung endlich mit ihrem Vater eingerichtet hatten, drängte sich eine Neue auf. Auch meinen Töchtern hat es gestunken, mit mir zu meinem neuen Mann zu ziehen. Als gelernte Pädagogin nahm ich das nicht persönlich und wusste, dass die Zeit Wunden heilen würde. Und so kam es dann auch.
Gab es keine Rivalitäten zwischen leiblicher und Stiefmutter?
Die zu verneinen, wäre nicht die ganze Wahrheit. Darüber möchte ich aber aus Respekt mehr nicht sagen.
Auf welches Abenteuer lassen sich Stiefmütter ein?
Der gesellschaftliche Erwartungsdruck macht alles schwieriger. Gefühle von Eifersucht und Ablehnung sind normal. Die neuen Beziehungen brauchen Zeit. Eine Schwangerschaft dauert neun Monate, diese Zeit brauchen Patchwork-Beziehungen auch. Gemeinsame Erlebnisse helfen dabei. Stiefmütter, die das nicht leisten, haben Probleme. Wer nicht Ja sagen kann zum Gesamtpaket, wer sich nicht auf neue Kinder einlassen will, ist fehl am Platz.
Und wenn eine Stiefmutter nicht alle neuen Kinder gern hat?
Man kann alle Kinder mögen. Das hat viel mit Erwartungen zu tun, auch mit enttäuschten Erwartungen von früher. Von den eigenen Kindern erwarten wir keine Dankbarkeit, von Stiefkindern hingegen schon. Kinder müssen sich dem Entscheid der Erwachsenen anpassen, sie sehen am Anfang keinen Gewinn. Das müssen wir akzeptieren.
Das Bild der bösen Stiefmutter sitzt tief in uns?
Mütter und Stiefmütter setzen sich unter Druck. Schon als Mutter habe ich die Schuld auf mich genommen, wenn etwas in der Familie schief lief. Die fehlende Anerkennung der Stiefmütter stimmt nicht tel quel. Nur wer über sein Schicksal jammert, hat keine Anerkennung. Wenn ich positiv und begeistert auftrete, freuen sich die anderen mit mir. Jammern und auf Mitleid hoffen, kommt bei allen schlecht an. Das bestätigt nur ihre Vorurteile und Ängste vor Patchwork-Familien.