In der Forschung zur künstlichen Intelligenz geht es manchmal schnell vorwärts und manchmal langsam. Auf Durchbrüche folgten in der Vergangenheit immer wieder Phasen, in denen wenig passierte – sogenannte «KI-Winter».
Doch seit der Veröffentlichung von ChatGPT Ende November 2022 herrscht in Sachen KI Hochsommer. Die raschen Fortschritte, die auch andere KI-Chatbots in den letzten Jahren gemacht haben, beflügeln die Erwartungen der Nutzerinnen und Nutzer ebenso wie die Versprechen der Entwickler.
Elon Musk: AGI bis 2026-2027
Dabei ist ein Stichwort regelmässig zu hören: AGI, zu Deutsch «künstliche generelle Intelligenz». Sam Altman, der Chef von OpenAI (dem Unternehmen hinter ChatGPT) war noch vor kurzem überzeugt, dass wir AGI schon dieses Jahr erleben. Und Elon Musk prophezeite im Februar, künstliche Intelligenz werde schon in wenigen Jahren intelligenter sein als der klügste Mensch.
Nur ein Marketingbegriff?
Doch was ist mit Artifical General Intelligence genau gemeint? Eine allgemein gültige Definition gibt es nicht, sagt Rolf Pfister, der am Lab42 in Davos an KI forscht: «Es gibt mehrere hundert Definitionen. Und man muss sagen, dass es eigentlich nur ein Marketingbegriff ist, der eingeführt wurde, um sich von der herkömmlichen KI-Forschung abzugrenzen.»
Heutige KI ist auf bestimmte Aufgaben spezialisiert und stark von ihren Trainingsdaten abhängig. AGI-Systeme dagegen sollen ohne viel Vorwissen jede intellektuelle Aufgabe ausführen, die ein Mensch erledigen kann.
Doch auch mit einer solchen Beschreibung gibt es Probleme: Nicht nur ist unklar, wie man die intellektuelle Kapazität eines Menschen überhaupt messen soll. Die Definition ignoriert auch, dass künstliche Intelligenz ganz anders funktionieren kann als die eines Menschen – nicht schlechter oder besser, einfach anders.
In den nächsten fünf Jahren oder gar nie
Und noch vieles mehr ist unklar, wenn es um AGI geht. Etwa, ob so eine künstliche generelle Intelligenz mit der heutigen Technologie überhaupt möglich ist. Zwar versprechen KI-Unternehmen, jede neue Version ihrer Chatbots komme dem näher. Doch andere halten solche grossen Sprachmodelle, sogenannte LLMs, für eine Sackgasse. So etwa Yan LeCun, einer der führenden KI-Forscher, der jüngst vehement verneint hat, dass LLMs der Weg zu AGI seien.
Einige Forschende glauben dennoch, AGI könnte schon in den nächsten fünf Jahren Realität werden. Der grösste Teil der Fachwelt bleibt aber skeptisch und spricht von Jahrzehnten bis hin zu Jahrhunderten. Und ein signifikanter Anteil sagt, echte AGI lasse sich gar nie erreichen.
AGI hilft beim Geldsammeln
Auch Rolf Pfister glaubt, dass bis zur künstlichen generellen Intelligenz noch viele Durchbrüche nötig seien – Durchbrüche, von denen niemand wisse, ob und wann sie passieren: «Es kann sein, dass jemand abends im Büro sitzt und eine gute Idee hat. Und das ist dann dieser eine Durchbruch.»
Trotzdem machen Leute wie Sam Altman oder Elon Musk nur zu gern solche Versprechen. Denn wer glaubhaft machen kann, dass er als erster AGI erreicht, kann sich gewaltige Mengen an Investorengeldern sichern. Das sieht auch Pfister so: «Wenn diese Erwartung nicht geweckt wird, dann wäre es auch nicht möglich, so viel an Geld einzusammeln. Deswegen wird es immer versprochen.»
Ob sich die Versprechungen je erfüllen, ist aber alles andere als klar. Denn auf den Hochsommer der KI-Forschung könnte auch wieder ein kalter Winter folgen.