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Am Anfang ist das Bild Wer räumliches Denken trainiert, kann seine Sprache verbessern

Wenn jemand sehr gut mit Sprache umgehen kann, dann hat das ziemlich sicher mit seinem exzellenten räumlichen Vorstellungsvermögen zu tun. Klingt weit hergeholt, ist aber so. Ein Gespräch mit dem Neurowissenschaftler und Journalisten Henning Beck.

Henning Beck

Neurowissenschaftler & Autor

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Henning Beck studierte bis 2008 Biochemie in Tübingen. Nach dem Abschluss der Doktorarbeit promovierte Beck im September 2012 an der Graduate School of Cellular & Molecular Neuroscience in Tübingen im Fach Neurowissenschaften.

Regelmässig zeigt der Neurowissenschaftler in seiner Kolumne im GEO-Magazin die neuesten Trends der Hirnforschung auf oder berichtet in der WirtschaftsWoche darüber, wie unser Gehirn im Arbeitsleben tickt.

SRF Wissen: Herr Beck, gerade ist eine neue Studie erschienen, die zeigt, dass räumliches Denken und Sprache zusammenhängen. Das müssen Sie erklären!

Also: Wörter wachsen ja nicht auf Bäumen, die finden wir nicht irgendwo in der Natur, sondern wir denken sie uns aus. Wir versuchen damit Sachverhalte zu beschreiben, die vorher schon in unserem Kopf sind, von denen wir also erst eine Vorstellung haben – und dann finden wir ein Wort dafür.

Wenn man sich anschaut, wie Kinder Sprache aufbauen, dann sieht man, als Erstes kommt das Begreifen der Welt. Kinder machen Zeigegesten, Kinder fassen Dinge an, Kinder orientieren sich im Raum. Dann erst kommt die Sprache.

Das stellt aber das Weltbild von ziemlich vielen Leuten auf den Kopf, oder?

Ja, ich möchte jetzt der Philosophie nicht zu nahe treten, aber die Vorstellung, dass mit der Sprache das Denken beginnt, ist falsch. Der Philosoph Wittgenstein hat mal gesagt «Die Grenze meiner Sprache ist die Grenze meiner Welt». Wittgenstein liegt daneben.

Ich habe als Kind meine Puppenstube selber gebaut, mir überlegt, was soll wo hin. Hat mir das geholfen, meine Sprache besser zu entwickeln?

Ganz klar: Je mehr man räumlich denkt, desto besser funktionieren diese Verständnisprozesse im Gehirn, die es braucht, um Worte zu finden, und desto besser gelingt es, mit Sprache zu denken.

Wie haben die Forscher das herausgefunden?

Das Schöne bei dieser Studie ist: Sie haben nicht nur ein paar Tage lang Experimente im Labor gemacht, sondern Studentinnen und Studenten ein Semester lang darin trainiert, räumlich zu denken und Probleme auf eine räumliche Art und Weise zu lösen.

Dann hat man geschaut, ob das einen Effekt hat auf die Fähigkeit, Probleme sprachlich zu bearbeiten und besser sprachlich zu denken.

Was für Aufgaben mussten die Teilnehmer lösen?

Sie mussten komplexe Sachverhalte mit Hilfe von Landkarten oder anderen räumlichen Systemen darstellen. Zum Beispiel: Sie bekamen eine Landkarte und haben geschaut, wie man auf dieser Landkarte Strassen idealerweise platzieren muss. Oder wie man Städte idealerweise aufbaut.

Die Forscher haben den Teilnehmern gesagt: Hey, überlegt euch die Lösung eurer Aufgabe mithilfe einer grafischen, einer räumlichen Struktur und schafft so ein Bild im Kopf, statt Sachen einfach nur aufzuschreiben und dann wieder zu lesen.

Und durch dieses räumliche Denken wurde dann die Sprache besser?

Ja! Das ist ein Faszinosum, nicht wahr? Wenn Menschen tatsächlich Bilder im Kopf erzeugen, zum Beispiel in Form von solchen mentalen Landkarten denken, dann führt es dazu, dass ihre Sprachfähigkeiten besser werden.

Vor der Sprache kommt das Bild im Kopf.

Die Forscher haben das dann getestet: Wie gut waren die Teilnehmer nach dem Trainingssemester im Ergänzen von logischen Wortketten, wie gut waren sie bei Assoziationsübungen oder im Finden von Synonymen? Sie waren tatsächlich besser. Das heisst für mich: Vor der Sprache kommt das Bild im Kopf.

Das Gespräch führte Katrin Zöfel.

Wissenschaftsmagazin, 20.08.2022, 12:40 Uhr ; 

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