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Ballon-Affäre Indiziensuche: Ein Wetterballon oder doch Spionage?

Ein Stratosphärenballon sorgte für Aufsehen und diplomatische Spannungen zwischen China und den USA. Der Ballon flog über mehrere Staaten im Norden der USA, bevor die US-Luftwaffe ihn über dem Atlantik abschoss.

Die Suche nach den Trümmern des Ballons hat begonnen. Erste Resultate würden belegen, dass es sich eindeutig um einen Spionage-Ballon handelte, berichtet die US-Regierung. China vertritt den Standpunkt, der Ballon habe lediglich Wetterdaten gesammelt. Eine Indiziensuche der Wissenschaftsjournalistin Cathrin Caprez.

Cathrin Caprez

Wissenschaftsredaktorin SRF

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Cathrin Caprez hat Chemie studiert und mehrere Jahre lang in der chemischen Analytik gearbeitet. Seit 2016 arbeitet sie als Wissenschaftsredaktorin bei SRF.

Was liess sich in Videos und auf Fotos des umstrittenen Ballons erkennen?

Nebst all den noch offenen Fragen ist eines sicher: Der Ballon war sehr gross. Sein Durchmesser lag etwa zwischen 25 und 30 Metern. Das gesamte Gefährt könnte gut 60 Meter hoch gewesen sein. Normalerweise haben solche Wetterballons in der Höhe einen Durchmesser von nur etwa 15 Metern.

Was können solche normalen Wetterballons mit in die Höhe transportieren?

MeteoSuisse lässt zweimal täglich einen Wetterballon steigen. Für einen solchen Standardflug sind die Ballons mit einer kleinen Radiosonde samt GPS bestückt, die Luftdruck, Temperatur und Feuchtigkeit misst und die Daten laufend an die Bodenstation schickt. Diese Sonde ist etwas grösser als ein Zigarettenpäckchen.

Darüber hinaus können die Meteorologen auch Spezialgeräte mit dem Ballon hochschicken, um beispielsweise Ozon zu messen. Oder auch Kameras für Aufnahmen. Selbst dafür muss ein Ballon nicht annähernd so gross sein wie das chinesische Exemplar.

Gibt die Flughöhe des Fluggeräts Hinweise darauf, mit welchem Auftrag er unterwegs war?

Der Ballon war grundsätzlich eher tiefer und viel länger unterwegs als Wetterballons das normalerweise sind. Diese steigen in der Regel von einem Punkt aus durch die Schichten der Erdatmosphäre hinauf bis auf etwa 35 Kilometer. Dort platzt der Ballon und in der Regel sinken die Messgeräte an einem kleinen Fallschirm zurück Richtung Boden. Das Ganze dauert ungefähr drei bis vier Stunden.

Der chinesische Ballon hingegen war tagelang unterwegs, mit einer Höhe zwischen 18 und 20 Kilometern. Möglicherweise blieb er auf dieser Höhe sozusagen stecken. Das kann auch bei einem gewöhnlichen Wetterballon passieren. Zum Beispiel, wenn er ein Leck in der Ballonhülle hat. Aber gleich mehrere Tage lang – das ist schon ungewöhnlich.

Satelliten liefern uns rund um die Uhr hochaufgelöst Daten aus dem Weltall – so ein Wetterballon hat im Vergleich dazu fast schon etwas Archaisches. Werden sie oft eingesetzt?

Ja, das werden sie. Sie haben gewisse Vorteile gegenüber den Satelliten: Sie liefern hoch aufgelöste Messdaten, sind deutlich günstiger – und weil sie schon so lange eingesetzt werden, sind sie heute auch für die Klimaforschung wichtig.

Wie lautet das Fazit: War's bloss ein Wetter- oder doch ein Spionage-Ballon?

Das lässt sich nicht eindeutig sagen. Für einen Wetterballon wäre es auf jeden Fall ein sehr ungewöhnlicher, aber vielleicht auch einfach neuartiger Ballon gewesen. Er wäre sicherlich auf Abwegen unterwegs gewesen, denn der grosse Vorteil von Wetterballons sind genaue Höhenprofile und nicht Messungen über so weite Strecken.

Vielleicht ergibt die Untersuchung der Trümmerteile noch mehr. Aber weil der Zwischenfall dermassen politisch aufgeladen ist, wird es vielleicht nie restlos Klarheit über die wahre Aufgabe des Ballons geben.

Wissenschaftsmagazin, 11.02.2023, 12:40 Uhr ; 

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