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Deeptalk macht glücklich Die Superkraft des tiefgründigen Gesprächs

Mit einem Fremden ein sehr persönliches Gespräch zu führen, klingt für viele unvorstellbar. Aber genau das sollten wir öfter tun, sagt der amerikanische Psychologe Nicholas Epley. Und seine Studien zeigen sogar: Es würde uns glücklicher machen.

Wenn die Erstsemester-Studierenden zum ersten Mal bei Nicolas Epley in den Hörsaal kommen, erwartet sie ein aussergewöhnliches Experiment. Sie sollen tiefgründige, persönliche Gespräche miteinander führen, obwohl sie sich praktisch noch nicht kennen. Eine Studentin sagt dann auch: «Ich glaube, das wird sich sehr peinlich und unangenehm anfühlen.» 

Im Zentrum der Gespräche stehen vorgegebene Fragen wie: «Wofür in deinem Leben bist du am dankbarsten?», «Wenn eine Kristallkugel dir die Wahrheit über dich, dein Leben und deine Zukunft zeigen könnte, was würdest du wissen wollen?» oder «Kannst du von einem Moment erzählen, in dem du vor jemandem geweint hast?».

Mit diesen Fragen werde ein Gespräch weit über den üblichen Smalltalk hinausgehen und damit viel bedeutungsvoller, sagt der Professor und Verhaltenspsychologe Nicolas Epley. 

Unangenehm? Fehlanzeige! 

Er und andere Forschende haben rund um zwischenmenschliche Kontakte Experimente mit 1800 Teilnehmenden durchgeführt. Darunter mit Führungskräften oder auch Leuten auf der Strasse.

Das überraschende Ergebnis: Die Teilnehmenden fühlten sich nach den tieferen Gesprächen mit Unbekannten, glücklicher und verbundener als erwartet. Zudem empfanden sie diese Unterhaltungen als weniger unangenehm als befürchtet. 

Leute unterhalten sich an einem Strassenfest
Legende: Gespräche mit Unbekannten können unerwartet bereichernd sein. imago images

Die Experimente zeigten auch, dass Menschen tiefe Gespräche mit Fremden ebenso genossen wie mit Freundinnen und Freunden. Und überraschenderweise gab es keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen oder zwischen Introvertierten und Extrovertierten. 

«Selbst nach den vorgegebenen Fragen wollten wir einfach weiter über andere Themen reden. Es fühlte sich ganz natürlich an», berichtet eine Studentin nach dem Gespräch. Ein anderer Teilnehmer ist erstaunt, «wie diese Fragen Verbindungen schaffen können».

Ich kann eine Freundschaft ermöglichen, wenn ich mich von Anfang an öffne und den anderen wie einen Freund oder eine Freundin behandle.
Autor: Nicolas Epley Professor und Verhaltenspsychologe

Der Professor betont, dass es nicht darum gehe, nun jeder wildfremden Person das Herz auszuschütten. Aber seine Forschungen deuteten ganz klar darauf hin, dass die meisten Menschen viel lieber über Leidenschaften und Lebensziele sprächen, als über das Wetter und «Was gibt's Neues?».

Zwei Männer gehen auf Stadtstrasse spazieren.
Legende: Nicholas Epley (links im Bild) ist Professor für Verhaltenswissenschaften an der University of Chicago Booth School of Business. Er erforscht seit Jahren das zwischenmenschliche Verständnis. Wie hier, sucht er oft spontan das Gespräch mit Fremden. SRF

Superkraft Deeptalk 

Epley sieht in dieser Erfahrung eine Art Superkraft. Nicht zuletzt, um einfacher und schneller neue Freundschaften entstehen zu lassen: «Ich kann eine Freundschaft ermöglichen, wenn ich mich von Anfang an öffne und den anderen wie einen Freund oder eine Freundin behandle.» Neue Beziehungen zu knüpfen sei wie das Streben nach körperlicher Fitness – beides erfordere regelmässiges Training. 

Wie es Kathrin Hönegger im Telefon-Experiment ergangen ist

Box aufklappen Box zuklappen
Lächelnde Frau am Telefon
Legende: srf

In der «Einstein»-Sendung «Freundschafts-Formel»: Was uns wirklich verbindet erhielt Moderatorin Kathrin Hönegger die Aufgabe, eine Person anzurufen, mit der sie seit Jahren keinen Kontakt mehr hatte. Der Versuch basiert auf einem Interventions-Experiment des Gottlieb Duttweiler-Instituts im Rahmen der Schweizer Freundschafts-Studie «In guter Gesellschaft».

Die Moderatorin sagt über die Erfahrung:

«Jemanden anzurufen, den ich schon Jahre nicht mehr gehört habe – das kostete mich sehr viel Überwindung. Der Moment des Anrufs war eine Grenzerfahrung. Aber sobald ich diesen Schritt aus der Wohlfühlzone gemacht hatte, fühlte es sich unglaublich gut an. Es ist etwa ähnlich wie beim Small Talk in einer unbekannten Apéro-Runde: erst will man wegrennen. Und dann – kaum ist man im Gespräch – fühlt es sich nach einer Bestätigung an. Solche Momente sind wie kleine mentale Workouts. Jeder Sprung über die Schwelle macht die nächste Hürde kleiner.»

Das deckt sich mit den Ergebnissen der Studie. Die meisten Probandinnen und Probanden taten sich schwer, jemanden von «früher» aus dem Nichts heraus wieder zu kontaktieren. Aber drei von vier Personen gab im Nachhinein an, den Anruf positiver empfunden zu haben, als sie zunächst vermutet hatten. Tatsächlich verabredeten sich rund 80 Prozent danach noch mindestens einmal.

Download: Studie «In guter Gesellschaft»

Nicholas Epley ermuntert deshalb dazu, Menschen ganz bewusst mit mehr Offenheit zu begegnen: «Geht raus, grüsst die Leute, lächelt sie an und versucht, gute Gespräche zu führen.» Das könne vieles verändern, prognostiziert er und fügt an: «Sie werden angenehm überrascht sein.»

SRF 1, Einstein, 04.09.2025, 21:05 Uhr

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