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Familien im Ausnahmezustand Schlaflose Kinder, schlaflose Eltern: Was beiden helfen kann

Kommen Eltern monatelang nicht zu genügend Schlaf, kann das Körper und Geist so stark belasten, dass Hilfe nötig wird.

«Es gab eine Zeit, da habe ich sehr viel geweint, weil ich einfach nicht mehr wusste, wie weiter», erzählt Livia Barth. Mit der Geburt ihres Sohnes Benaja hat sich das Leben für sie und ihren Mann wie für viele Eltern komplett verändert: «Ich hätte nie gedacht, dass die Nächte so anstrengend sein können», erzählt die junge Mutter, die bis zu achtmal pro Nacht vom Sohn geweckt wird. 

Ehemann Tobias Barth entlastet zwar seine Ehefrau, indem er sich zwischendurch die Nacht über um Benaja kümmert. Da er aber zu 100 Prozent arbeitet, liegt die Hauptlast der Betreuung bei der Mutter: «Ich bin ständig müde, erschöpft, gereizt und zwischendurch fühlt es sich fast wie eine Depression an». Kein Wunder – wirft man einen Blick auf die Folgen von Schlafentzug.  

Die Folgen von Schlafentzug

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Im Schlaf regenerieren sich Körper und Geist auf vielfältige Art und Weise. Die Schlafforschung u.a. mit Schichtarbeitenden zeigt: Werden diese wichtigen Prozesse gestört, steigt die Anfälligkeit für physische und psychische Probleme. So steigert zu wenig Schlaf längerfristig das Risiko für:

  • Übergewicht
  • Diabetes
  • Bluthochdruck
  • Herz- Kreislauf-Erkrankungen
  • Häufige Infekte
  • Krebs

Überdies belastet Schlafmangel auch den Geist:

  • Lernfähigkeit, Aufmerksamkeit und Reaktionsvermögen sinken
  • Psyche wird anfälliger für Reizbarkeit, Stress und Ängste

Als Livia die Belastung Ende letzten Jahres zu gross wird, meldet sie sich bei der Mütter- und Väterberatung Kanton Bern. Die Beraterin Nicole Buholzer steht der Familie seither mit Rat zur Seite. Barths sind damit nicht alleine, schliesslich zeigen rund ein Drittel aller Kinder im Verlauf ihrer Entwicklung Ein- oder Durchschlafprobleme. 

Strukturierter Tagesablauf hilft

Ein Schlafprotokoll offenbarte, wo die Familie Barth die Hebel ansetzen kann: «Wir sahen, dass der Tagesablauf sehr unstrukturiert war», erinnert sich Nicole Buholzer.

Die Familie soll sich seither an einen regelmässigen Tagesplan mit fixen Essens- und Schlafenszeiten halten. Zudem hat Livia die Dauer der Schläfchen am Tag verkürzt. «Nach diesen Änderungen weckte er uns nur noch dreimal pro Nacht auf, was für mich ein grosser Erfolg war», sagt Livia. 

Der Schoppen funktioniert einfach sehr gut, um Benaja nachts wieder zu beruhigen.
Autor: Livia Barth

Heute wird Livia wieder bis zu achtmal pro Nacht geweckt. Meistens kann sie ihren Sohn dann nur mit dem Griff zum Schoppen beruhigen.

«Durch die Nahrungsaufnahme in der Nacht benötigt Benaja tagsüber weniger Kalorien, es entsteht ein ungünstiger Regelkreis, das Kind gewöhnt sich daran und hat nachts Hunger», erklärt Nicole Buholzer – und Livia fügt an: «Der Schoppen funktioniert einfach sehr gut, um Benaja nachts wieder zu beruhigen. Ein Teil des Problems liegt deshalb sicher auch bei mir».

Ernährung im Fokus

Nebst Schlafbedarf und Einschlafgewohnheiten legt Nicole Buholzer den Fokus auch auf die Ernährung. Hier könnte eine schrittweise Reduktion der nächtlichen Flaschennahrung helfen, damit Benaja tagsüber mehr isst und in der Nacht weniger Hunger hat.

Warnsignale ernst nehmen

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Wenn die schlaflosen Nächte kein Ende nehmen, sollten Eltern folgende Warnsignale ernst nehmen und Hilfe suchen:

  • Abnehmende emotionale Bindung zum Kind
  • Sozialer Rückzug
  • Appetitverlust
  • Suchtmittelkonsum
  • Aggressionen
  • Selbstmordgedanken

Hilfe bieten Elternberatungsstellen und Kinderärzte.

Was Nicole Buholzer jedoch nicht empfiehlt, ist das Kind in der Nacht einfach schreien zu lassen. «Damit überlässt man das Kind sich selbst und es lernt dabei nur, dass es sich nicht lohnt, sich für seine Bedürfnisse einzusetzen», betont die Beraterin.

Ein Kind dürfe weinen, aber es sollte von der Bezugsperson begleitet sein.

Tipps für junge Eltern

Nicole Buholzer empfiehlt den Eltern, sich regelmässige Entlastung durch Fremdbetreuung zu organisieren. 

Auch lohne es sich auf eine gesunde, nährstoff- und vitaminreiche Ernährung zu achten, damit Körper und Geist die Belastung möglichst gut meistern. «In solchen Ausnahmesituationen kommen die eigenen Bedürfnisse der Eltern häufig zu kurz», warnt Nicole Buholzer.

Zudem sollen die Eltern den eigenen Schlaf priorisieren, indem sie beispielsweise während dem Mittagsschlaf des Kindes die Haushaltsarbeiten einmal liegen lassen und sich selbst ein Schläfchen gönnen.

Puls, 25.03.2024, 21:05 Uhr

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