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Gene oder Lebensstil Doppelgänger – wenn sich die Gene im Gesicht spiegeln

Was beeinflusst uns mehr: unsere Gene oder unser Lebensstil? Eine neue Studie untersucht die Frage nun mit einer überraschenden Methode.

Vor Jahren schon sorgte der Mediziner und Genetiker Manel Esteller für Aufsehen mit seiner Forschung zu eineiigen Zwillingen. «Wir konnten zeigen, warum sich Zwillinge mit genau demselben Erbgut im Verlauf ihres Lebens unterschiedlich entwickelten», erinnert er sich. «Mit ein Grund ist, dass ihre Gene unterschiedlich reguliert werden.»

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aus Wissenschaftsmagazin vom 27.08.2022. Bild: IMAGO / Westend61
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Über die Lebensjahre eines Menschen werden manche Gene stumm geschaltet, andere werden intensiver ausgelesen. Diese Mechanismen fasst man in der Forschung heute unter dem Begriff Epigenetik zusammen. Dabei spielen Umwelteinflüsse und der Lebensstil eine wichtige Rolle – unsere Ernährung, ob und wie viel wir uns bewegen oder wie gesund unser Lebensort ist.

Forschung trifft Kunst

In seiner aktuellsten Studie hat Manel Esteller nun eine andere Sorte «Zwillinge» untersucht: Menschen, die nicht miteinander verwandt sind, deren Gesichter aber sehr ähnlich aussehen. Er wollte wissen: «Wie kommt es, dass diese Doppelgänger oder Doubles so ähnlich aussehen?»

Zwillinge essen Glacé.
Legende: Auch mit seiner Forschung zu eineiigen Zwillingen sorge Manel Esteller für Aufsehen. Imago/Joann Randles/Cover Images

Hilfe erhielt der Genetiker von der Universität Barcelona dabei von einem kanadischen Fotografen, der seit mehr als zwanzig Jahren Fotos von Doppelgängern sammelt. Manel Esteller erhielt Porträt-Bilder von knapp drei Dutzend Doppelgänger-Paaren und liess diese von mehreren Gesichtserkennungs-Programmen untersuchen. Sechzehn Paare hielten der Prüfung durch diese Programme stand.

«Nature vs. Nurture»

Die Forschenden baten diese Doppelgänger-Paare um Speichelproben und extrahierten daraus deren Erbgut. Anschliessend analysierte Manel Esteller die DNA der Doppelgänger Baustein um Baustein – und verglich diese mit dem Erbgut von Menschen ohne Doppelgänger. Dabei stellte er fest: «Die Doppelgänger besitzen ein untereinander deutlich ähnlicheres Erbgut als Menschen, die niemand anderem besonders ähnlich sehen.»

Im Fall unseres Gesichts scheinen die Gene wichtiger zu sein.
Autor: Manel Esteller Mediziner und Genetiker

Die Forschenden identifizierten eine ganze Reihe von Genen, die bei den Doppelgängern in einer ähnlichen Form vorliegen. Viele davon bestimmen mit, wie unser Gesicht konkret aussieht. Keine Ähnlichkeit fanden die Forschenden bei den Doppelgängern bei der Epigenetik, also in jenem Muster, wie die Gene an- oder ausgeschaltet sind. «Die Frage, ob die Gene oder unsere Umwelt bedeutender sind, wird in der Wissenschaft seit Langem intensiv diskutiert», so Esteller. «Im Fall unseres Gesichts scheinen die Gene wichtiger zu sein.»

Fokus Europa

Mit der neuen Studie liegt nun also eine Auswahl an Genen vor, die das Aussehen unseres Gesichts beeinflussen. Für künftige Forschung muss diese jedoch zwingend noch breiter werden. Zum einen, so Manel Esteller, hätten sie mit sechzehn Doppelgänger-Paaren nur eine kleine Anzahl Menschen untersuchen können. «Hinzu kommt, dass die Doppelgänger-Paare zwar aus der ganzen Welt stammen – aber die grosse Mehrheit lebt in Nordamerika oder Europa.»

Um also definitiv jene Gene ausfindig zu machen, die unsere Gesichtszüge prägen, muss Manel Esteller geografisch noch weiter herum nach Doubles suchen. Vielleicht stösst er dabei auch in anderen Teilen der Welt auf so ausdauernde Fotografen wie jenen in Kanada.

SRF 2, 27.08.2022, 12:30 Uhr

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