Intelligenztests sind umstritten, aber doch recht breit akzeptiert, wenn es darum geht, die Intelligenz zu messen. Da es keine einheitliche Definition von Intelligenz gibt, variieren auch die Tests. Manche gewichten das abstrakte Denken stärker, andere das räumliche Vorstellungsvermögen oder das Allgemeinwissen.
Was aber jeder Intelligenztest abfragt, ist die Fähigkeit, aus vorgegebener Information logische Schlüsse zu ziehen. Zum Beispiel Zahlenreihen zu vervollständigen: 3, 6, 9, 12 – was folgt als nächstes?
Wer bei solchen Aufgaben 100 Punkte erreicht, gilt als durchschnittlich intelligent. Wer auf über 130 Punkte kommt, als hochintelligent. Die Tests und deren Auswertungsschlüssel werden laufend nachjustiert.
Würden wir die ersten Tests, welche zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufkamen, verwenden – dann würde der Grossteil unserer heutigen Bevölkerung als hochintelligent eingestuft werden. Denn die gemessene Intelligenz ist während des letzten Jahrhunderts laufend gestiegen.
Warum der IQ im 20. Jahrhundert anstieg
Dieser IQ-Höhenflug oder «Flynn-Effekt» ist nicht etwa eine Folge ungenügender Testqualität, sondern die Menschheit wurde tatsächlich klüger.
Der Grund: Die Lebensbedingungen haben sich im letzten Jahrhundert stark verändert, sagt Lernforscherin Elsbeth Stern von der ETH Zürich: «Nur schon die Schulzeit hat sich von sieben Jahren auf elf Jahre verlängert. Die medizinische Versorgung hat sich verbessert. Wir ernähren uns besser.» All das habe dazu geführt, dass immer mehr Menschen ihre Intelligenz «voll ausschöpfen konnten».
Schluss mit «immer besser und klüger»
Seit Mitte der 1990er-Jahre allerdings ist Schluss mit dem IQ-Anstieg. Seither stagniert die gemessene Intelligenz. Eine mögliche Erklärung: «Da ist man vielleicht so ein bisschen ans Limit gestossen», so Elsbeth Stern. Sprich: Man hat optimiert, was möglich war und stösst nun bei der Intelligenz an, die genetisch vorgegeben ist.
Das wäre ja ganz okay. Bloss wurden in den letzten Jahren auch einzelne Studien publiziert, die jüngst etwa bei skandinavischen Rekrutinnen und Rekruten sogar wieder sinkende IQ-Werte feststellten.
Müssen wir uns Sorgen machen? Noch nicht. Denn ein allgemeiner Trend lasse sich noch nicht erkennen, so Elsbeth Stern. Aber genau hinschauen sollte man schon, vor allem bei der Generation, die jetzt mit Handy, iPads etc. aufwächst. «Wenn kleine Kinder nur noch visuelle Erfahrungen machen – zum Beispiel Katzen nur noch auf dem Bildschirm sehen, statt sie auch zu streicheln – kann sich das schon auswirken.» Ob und wie sich das auswirkt, wird man sehen.
Wir haben heute Probleme in der Schule
Schon heute ein ernsthaftes Problem sieht die ETH-Lernforscherin hingegen beim Umsetzen von Intelligenz in Wissen. Gerade in Mitteleuropa hätten wir Probleme mit der Schule. «Der Lehrpersonenmangel spielt da mit rein. Zugleich bestimmt die soziale Herkunft immer mehr, ob es ein Kind ans Gymnasium schafft.» Man müsse daher in gute Schulen für alle investieren, betont Elsbeth Stern.
Nicht, dass das Rad der Zeit sich wieder zurückdreht – und wieder mehr Menschen ihre Intelligenz nicht voll ausschöpfen können.