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Knochenfunde auf der Alp Wenn die Berge Opfer fordern

Allein sollte man nicht bergwandern gehen – die Gefahren sind zu gross. Einblick in eine unangenehme Fallakte.

Auf den ersten Blick war es einfach ein Wanderschuh, der einem Wanderer in der Schilthorn-Gegend auffiel. Doch in dem Schuh steckte ein vollständiger Fuss.

Diese Überreste kamen vor zwei Jahren zum Vorschein. Zu wem sie gehörten, konnte man nicht sagen. In der Wandergegend ums Schilthorn werden rund 500 Leute vermisst.

Gefahren des Bergwanderns

Die meisten Menschen kommen beim Wandern in den Bergen zu Tode – 57 waren es 2018. Nicht, weil diese Sportart besonders gefährlich wäre, sondern weil sie ein Massensport par excellence ist.

Einer, der auch Senioren anzieht: Die Gruppe der 50- bis 60-Jährigen verunglückte am häufigsten.

«Klassisch ist ein Stolperer beim Abstieg», erklärt Ueli Mosimann, Fachverantwortlicher Sicherheit beim SAC. «Mit zunehmendem Alter sinkt die Reaktionszeit, und schon kann man sich nicht mehr auffangen.» Gehörte also der Schuh ebenfalls einem gestolperten Senior oder einer Seniorin?

Ein halbes Skelett

An fast derselben Stelle wurden ein Jahr später weitere Knochen gefunden: eine fast vollständige Wirbelsäule, ein Becken, Teile der Oberschenkel. Die Knochen kamen zu Anthropologin Sandra Lösch von der Berner Rechtsmedizin. Sie hatte auch schon den Fuss untersucht.

Ein Wanderschuh im Gras.
Legende: Ein einzelner Schuh auf einer Bergwiese wird zum Kriminalfall. SRF

Abgestürzte Bergwanderer untersucht sie regelmässig, im Schnitt ein- bis zweimal pro Jahr. «Bei der Wirbelsäule waren noch einzelne mumifizierte Teile des Weichgewebes vorhanden, Nervenbahnen hielten die Wirbel zusammen.» In hochgelegenen Bergregionen keine Überraschung.

Fuss und Skelett passen zusammen

Lösch fand bei den Skelettteilen zwei Knochenbrüche, die auf einen Sturz aus einigen Metern Höhe hindeuteten. Die Anthropologin konnte ausserdem das biologische Alter der Knochen auf 50 bis 60 Jahre schätzen – und sah aufgrund des Beckens, dass es sich um einen Mann handelte. Ein DNA-Test ergab, dass Fuss und Knochen zu einem vermissten Wanderer Ende 50 gehörten.

Männer verunfallten 2018 im Gebirge dreimal häufiger als Frauen. Besonders Alleingänger sind gefährdet.

Der SAC-Sicherheitsverantwortliche Ueli Mosimann sieht das nicht gerne. Besonders, wenn niemand weiss, wo genau die Person hin wollte. «Oder wenn sie spontane Routenänderungen nicht an Bekannte weitergibt.» Wenn man schon alleine wandern geht, dann sollten wenigstens das Handy dabei, stromfressende Apps geschlossen und der Akku voll sein.

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