Manchmal geschah die Pflanzenverschleppung unabsichtlich, wenn Pflanzensamen etwa an den Schuhsohlen der Einwanderer in die Kolonien reisten und dort Fuss fassten.
Meist aber war die Pflanzenmigration bewusste Strategie. Eroberer und Siedler brachten Pflanzen ihrer alten Heimat in die besetzten Gebiete: als Nahrungs- oder Futtermittel oder aus ästhetischen und emotionalen Gründen.
Pflanzen von heute erzählen Geschichten von früher
Selbst viele Jahrzehnte, nachdem die kolonialreiche Geschichte und die ehemaligen Kolonien unabhängig geworden sind, sehe man die Spuren dieser Pflanzenverfrachtung, sagt Biodiversitätsforscher Franz Essl von der Universität Wien: «Wir sind sehr beeindruckt und haben nicht mit so deutlichen Resultaten gerechnet.»
Essl hat mit einem internationalen Forschungsteam 1'183 Regionen untersucht, die einst von Grossbritannien, Spanien, Portugal oder den Niederlanden besetzt waren.
Die grüne Handschrift der Kolonialmächte
Die vier mächtigen europäischen Kolonialmächte, die zwischen 1500 bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts fremdes Land ihr Eigen nannten, haben der Flora dort ihren eigenen Stempel aufgedrückt.
Noch heute lässt sich aus der Flora ehemaliger Kolonien lesen, wer da einst geherrscht hat.
Je länger Gebiete von denselben Invasoren besetzt waren, desto ähnlicher wurden sie sich. «Noch heute lässt sich aus der Flora ehemaliger Kolonien lesen, wer da einst geherrscht hat», so Franz Essl.
Eingeschleppt, verbreitet, importiert – die Routen fremder Arten
Tausende von Pflanzenarten wurden aus der alten Heimat in die Kolonien verpflanzt, innerhalb eines Kolonialreichs verschleppt oder aus den Kolonien in die alte Heimat gebracht.
Bernd Lenzner, Erstautor der bei «nature» publizierten Studie , zählt auf: Die Niederländer brachten die Eiche als Holzlieferant nach Südafrika und den berüchtigten japanischen Staudenknöterich nach Europa. Die spanischen Konquistadoren führten den mexikanischen Feigenkaktus auf den Kanarischen Inseln ein. Die Briten importierten das giftige zentralamerikanische Wandelröschen in die Gärten ihres Mutterlands und lancierten dessen global-invasive Laufbahn.
Pflanzen als Spielball kolonialer Konkurrenz
Die Kolonialreiche betrieben oft sehr restriktive Handelspolitiken. Die Expansion europäischer Mächte war verknüpft mit unerbittlicher Konkurrenz. Gewisse Pflanzen durften daher oft nur innerhalb eines Imperiums angebaut und gehandelt werden.
Auch dies liess unterschiedlichste, selbst weit entfernte Regionen ein und desselben Kolonialreichs einander immer ähnlicher werden, so das jeweilige Klima es zuliess.
Strategisch wichtige Regionen wurden einander ähnlicher
Ganz besonders in wirtschaftlich oder strategisch wichtigen Handelszentren wurden Pflanzen sorgfältig gehütet – etwa in Regionen des indo-malaiischen Archipels, die zentral waren für den internationalen Gewürzhandel und über Jahrhunderte in niederländischer Hand. Oder auf Inseln wie den Azoren unter den Portugiesen und St. Helena unter den Briten, die als wichtige Zwischenstationen auf transozeanischen Reisen dienten.
Dieser grüne Fussabdruck prägt ehemalige Kolonien noch heute. So tief, dass ihn selbst die aktuelle Globalisierung mit ihrer unerreicht massiven Verschleppung von Arten noch nicht zugedeckt hat.