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Lärmbelästigung Warum stört uns nicht jeder Lärm gleich?

Ein Wahrnehmungspsychologe erklärt, warum wir uns mehr oder weniger über Rasenmäher-Krach nerven – und ob das Lärmempfinden im Alter zunimmt.

Lärm bedeutet ein Gesundheitsrisiko für uns. Wie also gehen wir damit um? Was stört uns am meisten? Die SRF-Community hat zum «Tag gegen Lärm» ihre nervigsten Lärmquellen mit uns geteilt: von Rasenmähern über Kirchenglocken bis hin zu schreienden Kindern.

Warum aber empfindet jede und jeder von uns unterschiedliche Geräusche als störend? Ein Wahrnehmungspsychologe ordnet einige Erfahrungen aus der Community ein:

Mich stört nur der Lärm der anderen – mein eigener nicht im Geringsten. Ganz im Gegenteil...
Autor: User F. Waeber

«Generell werden die Geräusche, die selbst verursacht sind, eher unterschätzt und die, die von aussen kommen, eher überschätzt», sagt Wahrnehmungs- und Gedächtnispsychologe Claus-Christian Carbon von der Universität Bamberg.

Das führe dazu, dass uns die Geräusche der «anderen» eher stören. Zudem wissen wir ganz genau, wann wir eigene Geräusche verursachen. Im Gegenteil dazu überraschen uns fremde Geräusche meistens, was einen zusätzlich störenden Einfluss hat. Aber: «Wir können uns grundsätzlich auch über die eigenen Geräusche aufregen», sagt der Psychologe.

Für Stadtmenschen können Geräusche von Landwirtschaftstieren störender Lärm sein. Für Menschen aus einem Bergdorf Autolärm.
Autor: User P. Janssens

Für die unterschiedlichen Reaktionen auf Geräusche sind grundsätzlich zwei Faktoren verantwortlich: «Zum einen die Gewohnheit, da unser Gehirn Gewohntes besser verarbeiten und zuordnen kann. Zum anderen das Assoziationsprinzip, welches die Koppelung von Geräuschen an Erinnerungen und Emotionen beschreibt», sagt Carbon.

Der Forscher denke beispielsweise an seine Grosseltern, wenn die Kirchenglocken läuten. Sie hatten damals mithilfe der Kirchenuhr erklärt, wie er die Zeit lesen kann. Das Geräusch ist also an ein positives Erlebnis gekoppelt. Dieses sogenannte «Assoziationsprinzip» wurde in der Psychologie bereits in den 1860er-Jahren beschrieben und hat den weitaus grösseren Effekt auf unsere Wahrnehmung von Geräuschen als die Gewohnheit.

Im zunehmenden Alter wird Lärm auch empfindlicher wahrgenommen. Beispielsweise von spielenden Kindern.
Autor: User H. Francke

Grundsätzlich: Ältere Menschen sind nicht lärmempfindlicher. «Dafür gibt es keine wissenschaftlichen Belege», erklärt Professor Carbon. «Ältere Personen sind ausserdem stärker von Schwerhörigkeit betroffen, was den Effekt von Geräuschen eher vermindert».

Aber was steckt dann an den empfindsameren Senioren-Ohren? «Die verschiedenen Lebenswirklichkeiten», so der Forscher. Im Alter hätten sie einen grösseren Effekt. Zum Beispiel sind Kinder bei älteren Menschen seltener Teil des Alltags, daher wird der Krach als störend empfunden – auch weil man weniger alltägliche Erfahrung im Umgang mit solchen Geräuschen hat. «Wir sind nun mal Gewohnheitstiere.»

Ich bin sehr lärmempfindlich und nicht immer ist es möglich, sich aus der Situation zu begeben. Für gewisse Situationen helfen mir schalldämmende Kopfhörer (ohne Musik).
Autor: Userin «Catwoman 7»

«Wir nehmen an, dass alle Personen zu jeder Zeit alles immer gleich wahrnehmen. Diese Grundannahme ist falsch», sagt Carbon. Wie die meisten psychologischen Faktoren sei das Lärmempfinden in der Bevölkerung vermutlich normalverteilt. «Das bedeutet, dass es Personen gibt, die überdurchschnittlich empfindlich auf Lärm reagieren.»

Ein Rat vom Experten: «Selber Geräusche zu machen, kann helfen, ein fremdes Geräusch besser zu tolerieren.» Also, wenn der Rasenmäher-Krach das nächste Mal losgeht, einfach die Melodie des Lieblingsliedes vor sich hin summen oder selbst anfangen, den Rasen zu mähen.

Nano, 28.04.2022, 10:30 Uhr ; 

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