Für viele Menschen wird die Aufhebung der Maskenpflicht ein ebensolcher Freudentag sein, wie ihn Gesundheitsminister Alain Berset Anfang Februar in Aussicht gestellt hat.
Nicht alle werden erleichtert sein
Andere sehen den Entwicklungen mit gemischten Gefühlen entgegen. Wie viele genau kann der kognitive Neurowissenschaftler Dominique de Quervain sogar beziffern: «Für 40.5 Prozent der Geimpften war die Maskenpflicht eine Entlastung. Dementsprechend dürfte der Wegfall dieser Massnahme für diese Menschen eher belastend sein.»
Die Resultate stammen aus der Corona-Stress-Studie , die de Quervain leitet und im November 2021 für die Uni Basel veröffentlichte.
Für Masken gibt es gute Gründe
Knapp zwei Jahre lang sind wir nun täglich mehrfach zur Vorsicht aufgerufen worden: Maske auf, Abstand halten, Menschenmengen meiden. «Diese Dinge sind so in uns drin, wenn das plötzlich wegfällt, ist das für manche erst mal schwierig», sagt die Psychotherapeutin Yvik Adler.
Für viele gibt es für die Maske sehr gute Gründe: Menschen mit Risikoerkrankungen oder ungenügendem Impfschutz werden auch weiterhin versuchen, einer Infektion aus dem Weg zu gehen. Für sie wird das Risiko zunehmen, wenn die Maskenpflicht fällt.
Auch für Menschen mit Angsterkrankungen werde es schwierig, so Yvik Alder. Sie begleitet Betroffene durch die Pandemie. «Gerade für Menschen, die sozial eher zurückhaltend sind, war die Maske ein Schutz.» Sie müssten sich langsam wieder an einen Alltag herantasten, der für sie nie ganz einfach war.
Schützen vor Long Covid
Aber es gibt eben auch diese dritte – und wohl grösste – Gruppe, für die es keine unmittelbare Gefahr einer schweren akuten Erkrankung gibt, die sich mit der Maske vor allem im öffentlichen Verkehr oder bei Grossveranstaltungen auch weiterhin ganz gut aufgehoben fühlen wird.
Bei vielen dieser Menschen spiele, so Dominique de Quervain, der Schutz vor Long Covid und die vielen noch offenen Fragen bezüglich der Omikron-Variante eine Rolle. «Es gibt gute Gründe, einer Infektion aus dem Weg zu gehen, solange nicht klar ist, ob das Risiko für Long Covid bei Omikron deutlich kleiner ist als bei früheren Varianten.» Nicht zu unterschätzen sei allerdings der Gruppendruck. Je mehr Menschen ihre Maske dauerhaft ablegten, desto mehr würden sich diesem sozialen Druck beugen.
Wir müssen wieder zusammen finden
Die Psychologin Yvik Adler zeigt grosses Verständnis für alle, die es langsam angehen wollen. Doch sei es wichtig, es überhaupt anzugehen, auch für uns als Gesellschaft: «Es ist Zeit, dass wir das Zusammensein mit anderen Menschen nicht mehr als etwas Gefährliches anschauen.»
«Der Vorteil ist: Wer will, kann die Maske noch aufbehalten», sagt die Psychologin. Dies sei der entscheidende Unterschied zur Einführung der Massnahmen. Damals mussten sich alle unterordnen, was ein viel grösseres Konfliktpotenzial beinhaltet habe.
Ob wir es schaffen, mit und ohne Maske friedlich miteinander zu leben, hänge, so Adler, entscheidend davon ab, wie tolerant wir künftig miteinander umgehen. Denn Respekt und Wertschätzung für die Haltung anderer seien ein ziemlich guter Kitt.