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Masken ab! Was das Ende der Maskenpflicht für unseren Alltag bedeuten wird

Bundesrat Alain Berset stellt die Abschaffung der Maskenpflicht in Aussicht. Doch was bedeutet das für die Schweizer Bevölkerung? Das Aufziehen der Maske war für viele eine psychische Belastung. Wird es das Abziehen auch sein?

Für viele Menschen wird die Aufhebung der Maskenpflicht ein ebensolcher Freudentag sein, wie ihn Gesundheitsminister Alain Berset Anfang Februar in Aussicht gestellt hat.  

Nicht alle werden erleichtert sein

Andere sehen den Entwicklungen mit gemischten Gefühlen entgegen. Wie viele genau kann der kognitive Neurowissenschaftler Dominique de Quervain sogar beziffern: «Für 40.5 Prozent der Geimpften war die Maskenpflicht eine Entlastung. Dementsprechend dürfte der Wegfall dieser Massnahme für diese Menschen eher belastend sein.»

Auf dem Bild ist eine Frau zu sehen, die ihre Maske auszieht und sich freut.
Legende: Masken ab – was die einen freut, macht anderen Sorgen. Getty Images / Alberto Gonzalez

Die Resultate stammen aus der Corona-Stress-Studie , die de Quervain leitet und im November 2021 für die Uni Basel veröffentlichte.

Für Masken gibt es gute Gründe

Knapp zwei Jahre lang sind wir nun täglich mehrfach zur Vorsicht aufgerufen worden: Maske auf, Abstand halten, Menschenmengen meiden. «Diese Dinge sind so in uns drin, wenn das plötzlich wegfällt, ist das für manche erst mal schwierig», sagt die Psychotherapeutin Yvik Adler. 

Für viele gibt es für die Maske sehr gute Gründe: Menschen mit Risikoerkrankungen oder ungenügendem Impfschutz werden auch weiterhin versuchen, einer Infektion aus dem Weg zu gehen. Für sie wird das Risiko zunehmen, wenn die Maskenpflicht fällt.

Zunahme von Angst in der Pandemie

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Weltweit sind Angststörungen und Depressionen um rund 25 Prozent gestiegen, wie eine Studie des Fachmagazins «The Lancet» Anfang 2021 aufzeigte. Vor allem Frauen und junge Menschen waren betroffen. Zwei Gründe wurden hauptsächlich zugrunde gelegt: Neben der damaligen Einschränkung der Bewegungsfreiheit war es die Angst vor einer Infektion.

Auch für Menschen mit Angsterkrankungen werde es schwierig, so Yvik Alder. Sie begleitet Betroffene durch die Pandemie. «Gerade für Menschen, die sozial eher zurückhaltend sind, war die Maske ein Schutz.» Sie müssten sich langsam wieder an einen Alltag herantasten, der für sie nie ganz einfach war.

Schützen vor Long Covid

Aber es gibt eben auch diese dritte – und wohl grösste – Gruppe, für die es keine unmittelbare Gefahr einer schweren akuten Erkrankung gibt, die sich mit der Maske vor allem im öffentlichen Verkehr oder bei Grossveranstaltungen auch weiterhin ganz gut aufgehoben fühlen wird.

Bei vielen dieser Menschen spiele, so Dominique de Quervain, der Schutz vor Long Covid und die vielen noch offenen Fragen bezüglich der Omikron-Variante eine Rolle. «Es gibt gute Gründe, einer Infektion aus dem Weg zu gehen, solange nicht klar ist, ob das Risiko für Long Covid bei Omikron deutlich kleiner ist als bei früheren Varianten.» Nicht zu unterschätzen sei allerdings der Gruppendruck. Je mehr Menschen ihre Maske dauerhaft ablegten, desto mehr würden sich diesem sozialen Druck beugen.

Wir müssen wieder zusammen finden

Die Psychologin Yvik Adler zeigt grosses Verständnis für alle, die es langsam angehen wollen. Doch sei es wichtig, es überhaupt anzugehen, auch für uns als Gesellschaft: «Es ist Zeit, dass wir das Zusammensein mit anderen Menschen nicht mehr als etwas Gefährliches anschauen.»

«Der Vorteil ist: Wer will, kann die Maske noch aufbehalten», sagt die Psychologin. Dies sei der entscheidende Unterschied zur Einführung der Massnahmen. Damals mussten sich alle unterordnen, was ein viel grösseres Konfliktpotenzial beinhaltet habe.

Ob wir es schaffen, mit und ohne Maske friedlich miteinander zu leben, hänge, so Adler, entscheidend davon ab, wie tolerant wir künftig miteinander umgehen. Denn Respekt und Wertschätzung für die Haltung anderer seien ein ziemlich guter Kitt.

Zwei Tipps der Psychologin

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Darf ich die Leute drauf hinweisen, wenn sie mir im Tram zu nahe kommen? Oder gar aufstehen und den Platz wechseln?

Unbedingt! Diese Freiheit müssen wir uns erlauben. Wenn man freundlich sagt: «Mir ist es noch nicht so wohl, ich wäre froh, wenn sie ein wenig Abstand halten würden. Die Pandemie ist noch nicht beendet, ich will noch abwarten», wird kaum jemand harsch reagieren.

Was in den letzten zwei Jahren zu Konflikten geführt hat, war dieses gegenseitige soziale Zurechtweisen und Kontrollieren. Über sich selbst zu sprechen, ist besser, als mit dem Finger zu zeigen.

Wenn ich eher ängstlich bin: Kann ich mich mental vorbereiten?

Man darf sich fragen: Was waren die letzten zwei Jahre Pandemie für mich? Was habe ich über mich selber gelernt? Möchte ich eigentlich gar nicht so viele Kontakte? Dann darf das auch eine Bilanz sein.

Und wenn die Bilanz ist: Ich möchte wieder raus, doch ich habe noch grosses Unbehagen, wenn ich ans volle Tram denke, dann muss man das regelrecht wieder ein wenig üben. Vielleicht nicht gleich zur Rushhour mit dem ÖV fahren. Sich konfrontieren ist wie ein Muskel, der trainiert werden muss.

Tagesschau am Vorabend, 05.02.2022, 18:00 Uhr

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