Zum Inhalt springen

Nach dem Aus der Credit Suisse Was das Vertrauen in Banken mit einer Liebesbeziehung zu tun hat

Ohne Vertrauen in die Banken droht das Versagen des Finanzsystems. Ein Neuroökonom erklärt, warum wir an komplexe Systeme glauben und wie sich Vertrauen aufbauen lässt.

Über Jahre hinweg hat die Credit Suisse das Vertrauen ihrer Kundschaft verletzt und am Ende verspielt. Das bedeutete ihr Aus. Ohne Vertrauen geht es nicht. Das gilt für eine Beziehung wie für eine Bank. «Vertrauen ist der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält», meint Neuroökonom Christian Ruff von der Universität Zürich.

Warum wir vertrauen

Dass wir in komplexe Systeme wie Banken vertrauen, ohne ihr Inneres zu verstehen, findet der Neuroökonom menschlich: «Wir müssen das, unser ganzes Leben beruht auf Vertrauen», so Ruff. Im Supermarkt vertrauten wir darauf, dass die Lebensmittel nicht krank machten. Selbst Bargeld sei ohne Vertrauen wertlos, «sein Wert muss von allen anerkannt werden.»

Der Ursprung liegt in der Evolution: Den Menschen als soziales Wesen machen Interaktionen aus – und für die braucht es Vertrauen. Das beginnt bei der Bindung von Mutter und Kind und geht bis zum Zusammenschluss einer Gruppe, dem Vertrauen in Organisationen.

Wann wir zu viel Vertrauen

Box aufklappen Box zuklappen

«Vertrauen ist menschlich, vielleicht genauso menschlich, wie sich zu irren», sagt der ehemalige Stanford-Professor Roderick Kramer. Über 30 Jahre beschäftigte sich der amerikanische Sozialpsychologe in seiner Forschung mit Vertrauen. Vertrauen mache den Menschen verwundbar.

Die Forschung zeigt, dass wir Menschen schon allein dann vertrauen, wenn sie uns ähnlich sehen. Und dass wir uns gern im Urteil über andere auf die Meinung von dritten verlassen.

Das eigene Vertrauen zu überprüfen sei unangenehm, aber notwendig, «wenn es um Situationen geht, in denen unsere körperliche, geistige oder finanzielle Sicherheit auf dem Spiel steht», schreibt Kramer in einem Artikel für ein Magazin der Universität Harvard . Dann sei es wichtig, unser Vertrauen immer wieder infrage zu stellen.

Doch Vertrauen macht auch verletzlich. Der Mensch neige dazu Risiken zu unterschätzen, meint Roderick Kramer: «Wir vertrauen in Situationen häufig routiniert, reflexhaft zuweilen sogar kopflos.» Nach dem Banken-Crash 2008 riet der Sozialpsychologe dazu, weniger leichtfertig zu sein und sein Vertrauen auch mal zu hinterfragen.

Vertrauen ist nicht blind

Vertrauen ist mehr als ein Bauchgefühl. Zu den Emotionen kommt das Rationale. «Wir können sehr differenziert unterscheiden in unserem Vertrauen», beschreibt Ruff das Spektrum. Wenn wir daran glauben, dass die Schweiz besser durch schwierige Zeiten komme, als andere von Krisen geschüttelte Länder, stützen dieses Urteil Kennzahlen aus der Wirtschaft.

«Bei den Banken basiert ein grosser Teil unseres Vertrauens auf objektiver Information.» Jahrelange Nachrichten über finanzielle Misserfolge und Probleme im Management der Credit Suisse haben zu einem graduellen Vertrauensverlust geführt.

Ansteckende Angst

Brenzlig wird es, wenn diese Phase in die «Todesspirale» kippt, wie sie Ruff nennt. Dort haben rationale Gedanken keinen Platz. Irrationales Verhalten setze ein und die Menschen wollen im Ansturm auf die Bank ihr Geld retten.

Ein Grund für so einen «Bank Run» ist das Beobachtungslernen. «Wir lernen sehr viel daraus, was andere machen», so Ruff. Das sehe man schon bei Kindern, die andere nachahmen. Niemand möchte die letzte Person sein, die ihr Geld einer Bank anvertraut, wenn alle ihr Konto auflösen. Die drohende Abwärtsspirale erklärt das Handeln des Bundesrats, die CS in der UBS aufgehen zu lassen.

Glaubwürdigkeit schafft Vertrauen

Damit sich Vertrauen wieder aufbauen lässt, braucht es Zeit. Wichtig sind Signale: «Informationen, um von Emotionen ausgelöste Kurzschlusshandlungen zu verhindern», sagt Ruff. Klare Aussagen, zu welchen Garantien der Staat bereit sei. Der Neuroökonom erinnert sich an Mario Draghis Ausspruch während der Eurokrise: «We will do, whatever it takes.» Das Handeln des damaligen EZB-Präsidenten ist heute als Draghi-Effekt bekannt, denn die Finanzmärkte stabilisierten sich, die Europäische Zentralbank wirkte glaubwürdig.

Zuletzt, wenn das Vertrauen fundamental weg sei, helfe nur der Neuanfang. «Da kann man durchaus die Analogie zu einer romantischen Beziehung schlagen», sagt Christian Ruff. Wenn ein Neuanfang der Banken gelingen soll, müssen sich – ganz menschlich – Dinge ändern.

Rendez-vous, 20.03.2023, 12:30 Uhr

Meistgelesene Artikel