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Prämenstruelle Dysphorie Was Sie über den Unterschied von PMS und PMDS wissen müssen

Extreme Angst, Wut und Nervosität: Bis zu acht Prozent aller Frauen sind von PMDS, der schwersten Form der PMS, betroffen. Doch bis zur Diagnose ist es ein langer Weg. Warum eigentlich?

Worum geht es? Bauch-, Kopf- und Rückenschmerzen, Cravings, Brustspannen: Die vielen Gesichter des prämenstruellen Syndroms (PMS) sind wohl den meisten Frauen bekannt. 

PMS – das prämenstruelle Syndrom

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Drei Viertel aller Frauen im gebärfähigen Alter leiden an prämenstruellen Beschwerden. Dazu gehören: Kopfschmerzen, Wassereinlagerungen, schmerzhafte Brüste, Unterleibskrämpfe oder Rückenschmerzen. Bei etwa zwei bis fünf Prozent sind die Beeinträchtigungen so schwerwiegend, dass die Lebensqualität der Betroffenen erheblich eingeschränkt ist.

Doch manche Frauen leiden extrem. Grund dafür sind weder Kopfschmerzen noch Krämpfe, sondern Leere und Wut – typische Symptome einer prämenstruellen dysphorischen Störung, kurz PMDS. Die Psychotherapeutin Almut Dorn hat ein Buch für Betroffene geschrieben. Mit ihr klären wir die drängendsten Fragen.  

Was ist PMDS? PMDS ist quasi die schwerste Form der PMS. Während bei PMS oft körperliche Symptome im Vordergrund stehen, leiden Betroffene bei der PMDS psychisch – deutlich stärker als bei PMS. «Schon die Bezeichnung Dysphorie, das Gegenteil von Euphorie, macht das deutlich», so Almut Dorn.  

Mehr zur Expertin

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Seit 2010 leitet Almut Dorn die Praxis für Gynäkologische Psychosomatik in Hamburg mit den Schwerpunkten Kinderwunsch, Pränataldiagnostik und Psychoonkologie. Davor war sie 10 Jahre lang als leitende Psychologin der Gynäkologischen Psychosomatik am Universitätsklinikum Bonn tätig. 

Die depressiven Symptome treten in der zweiten Hälfte des Zyklus auf und belasten sowohl die PMDS-Betroffenen als auch ihre Beziehung zu Partnern oder Arbeitskolleginnen.

Wie viele Frauen sind betroffen? Forschende gehen von bis zu acht Prozent aus, die Dunkelziffer könnte noch höher sein. PMDS ist kaum erforscht, weshalb die Störung von Fachpersonen häufig nicht oder spät erkannt wird.  

Erst 2022 ist PMDS offiziell als Krankheit ins ICDD aufgenommen worden. Ausserdem ist die PMDS-Diagnostik kein Teil des Medizin-Studiums oder der gynäkologischen Ausbildung – und selbst für ausgebildete Fachpersonen schwer zu diagnostizieren. 

Was macht die Diagnose schwierig? «Dass es einen Zusammenhang zwischen Hormonschwankungen im Zyklus und dem Auftreten der PMDS-Symptome gibt, ist bekannt. Es ist aber nicht so, dass man PMDS durch Blutuntersuchungen oder Hormonanalysen diagnostizieren kann. Die Werte befinden sich in der Regel im Normbereich», so Almut Dorn. Ausserdem gibt es psychische Störungen wie Depressionen, die sich prämenstruell verstärken können.

Vielen betroffenen Frauen ist nicht sofort bewusst, dass sich ihre Stimmung zyklisch verändert. «Oft meinen Frauen, sie seien depressiv, sind aber auch irritiert über die Phasen, in denen sie sich normal fühlen», so Dorn. Deshalb konsultieren sie oft mehrere Fachpersonen, bis die Diagnose steht.  

Wie entsteht PMDS? Häufig kommen verschiedene Faktoren zusammen, wenn eine Störung wie PMDS entsteht. Einer davon ist die Genetik. 

Der Faktor Genetik

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Es wird angenommen, dass die Betroffenen empfindlicher auf die weiblichen Hormone Östrogene und Gestagene reagieren, vorallem auf Allopregnanolon, ein Metabolit des Hormons Progesteron. Auch eine höhere Empfindlichkeit gegenüber dem Neurotransmitter GABA-A konnte nachgewiesen werden. Forschende gehen von 30 bis 80 Prozent genetischen Faktoren aus. 

Auch die Lebensumstände spielen eine Rolle: «Auffällig ist, dass PMDS bei vielen jungen Müttern zum ersten Mal auftritt. Oft erzählen Frauen, dass sie ihre Stimmungsschwankungen vor dem ersten Kind bereits bemerkt haben, aber Strategien entwickelt haben, damit umzugehen», so Almut Dorn.

Sie haben sich etwa mit Spaziergängen Raum für die harzigen Zeiten im Zyklus geschaffen. «Sobald das erste Kind da ist, können viele diese Bewältigungsstrategien aber nicht mehr aufrechterhalten.» 

Gehirn und Geburt

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Zusätzlich könnte die mit der Geburt einhergehende Veränderung der Botenstoffe in unserem Gehirn wirken. Mittlerweile wissen Forschende nämlich, dass die «Umstellung auf Mutterschaft» auch etwas mit der Biochemie unseres Gehirns macht. 

Was hilft? «Wenn wir die Studienlage zu PMDS anschauen, sind Sport oder Nahrungsergänzungsmittel zwar hilfreich, aber nicht ausreichend», so Almut Dorn. Natürlich lohne es sich, schrittweise vorzugehen, um alle Behandlungsoptionen zu nutzen. Aber: «Wissenschaftlich nachgewiesen sind Medikamente, die das Hormon- oder Stimmungssystem beeinflussen.»

Vielversprechende Studien zu Antidepressiva  

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Studien zeigen, dass die Antidepressive bereits effektiv sein können, wenn die Frauen sie nur in der zweiten Zyklushälfte einnehmen. «Es scheint also eine etwas andere Wirkweise zu geben, als etwa bei der Behandlung von Depressionen.»

Eine medikamentöse Behandlung sei aber immer eine individuelle Entscheidung und brauche eine gute ärztliche Beratung zur Nutzen-Risiko-Abwägung. «Auch die kognitive Verhaltenstherapie hat sich in wissenschaftlichen Untersuchungen als effektive Behandlungsmöglichkeit bewiesen». so Almut Dorn. 

Mit einer Hormontherapie (einer Pille im Langzyklus etwa) können Schwankungen im Zyklus verringert werden. Antidepressiva wiederum gleichen die Stimmungs-Tiefs aus. Häufig wirken sie mit niedriger Dosierung.

Anlaufstellen für psychische Herausforderungen

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Radio SRF 3, 27.02.2024, 09:15 Uhr

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