Malin Gewinner studiert Kommunikationsdesign. Im Rahmen einer Recherche stiess sie auf ein Foto. Das Foto liess sie nicht mehr los. Es zeigte eine Taube. Der hatte jemand eine Kamera umgeschnallt. Und offenbar wurde diese Taube im Krieg eingesetzt.
Das brachte Malin Gewinner zu der Frage, ob es nicht noch mehr Tierarten gibt, die der Mensch im Krieg eingesetzt hat. Sie wurde fündig.
Jetzt hat Malin Gewinner ihre Enzyklopädie «Anthropomorpha» veröffentlicht. Ein Tierlexikon der etwas anderen Art. Abgesehen von den «klassischen» Kriegstieren – wie Pferden, Tauben und Hunden – zeigt uns Malin Gewinner ein ganzes Arsenal bizarrer tierischer Kriegsteilnehmer.
Abseits medialer Aufmerksamkeit waren diese Tiere bisher entweder gar nicht oder nur in Spezialpublikationen zu sehen. Malin Gewinner ist auf 32 verschiedene Tierarten gestossen und hat daraus eine Enzyklopädie «tierischer Soldaten» gemacht.
Monster?
Überraschend war für sie der teils skurrile und verstörende Ideenreichtum, mit dem die Militärs und ihre Forscher Tiere für den Krieg veränderten.Teilweise wurden Tiere regelrecht «umgebaut».
Verwandte Artikel
Malin Gewinner stellte sich bei ihrer Recherche immer wieder die Frage: «Warum wirkt das Tier auf diesen Bildern so monsterartig?» Ihre Antwort: «Weil diese Tiere vor allem bekleidet sind und dass sie dadurch menschlicher wirken, aber auch düsterer, als wenn sie unbekleidet wären.»
Dynamit-Fledermäuse
Immer raffinierter und immer ausgeklügelter wurden im Laufe der Jahrzehnte Tiere für den Krieg umgerüstet, dass einem beim Betrachten der über Jahre recherchierten Fotos die Haare zu Berge stehen.
Da sehen wir Delphine mit angeschnallten Minendetektoren, Fledermäuse mit einem Packen Dynamit und immer wieder gruselige Gasmaskenträger auf vier Beinen.
Neben den bedrückenden Schauwerten dieser Enzyklopädie wirft Malin Gewinner grundsätzliche Fragen auf.
Was ist eigentlich ein Tier im Angesicht des Krieges? Ein Gebrauchsgegenstand oder gar ein Kamerad?
Hochdekorierte Taube
Berühmt wurde die Militärtaube «Cher Ami», die im 1. Weltkrieg ihre Nachrichten trotz Verletzung übermittelt und damit 194 Soldaten das Leben gerettet hat.
Ausgestopft steht sie jetzt im Naturhistorischen Museum in Washington. Für ihre Verdienste wurde sie mit dem «Croix de Guerre» ausgezeichnet.
Kameraden wider Willen
Von Kameradschaft kann aber keine Rede sein, denn die Tiere wurden ohne Rücksicht auf Verluste dem menschlichen Willen unterworfen und im Krieg als Spionage-, Spür- und Waffentiere eingesetzt.
Malin Gewinners Buch zeigt auf erschütternde Weise den kriegerischen Missbrauch von Tieren durch den Menschen. Und das Buch zeigt die Scheinheiligkeit des Menschen, der Tiere als Freunde bezeichnet und sie in diesem Fall zur Kriegsmaschine deformiert.