Vor 25 Millionen Jahren war Afrika von dichten, üppigen Wäldern bedeckt. Und die Könige der Wälder waren die Menschenaffen – die Vorfahren der heutigen Gorillas, Bonobos, Schimpansen und Menschen.
Die Urmenschenaffen sind perfekt an das Leben in den hohen Baumkronen angepasst, und eine Voraussetzung dafür ist – zunächst – ihr Schwanz: «Er war für sie überlebenswichtig, um von Baum zu Baum zu springen und dabei das Gleichgewicht zu halten», sagt Carel van Schaik, emeritierter Professor für evolutionäre Anthropologie der Universität Zürich.
Menschenaffen verändern sich
Doch dann werden diese frühen Menschenaffen grösser und schwerer. Zwischen den Bäumen zu springen, ist zu gefährlich. «Stattdessen beginnen sie zu hangeln», erklärt van Schaik.
Das Kronendach bleibt ihre Domäne, doch innert weniger Jahrmillionen passen sie ihren Körperbau an: Ihre Arme werden länger, die Beine kurz und krumm. Dabei wird der Schwanz überflüssig, sogar hinderlich. «Also bringt ihn die natürliche Auslese irgendwann zum Verschwinden», so van Schaik.
Die Vorfahren der Schimpansen, Bonobos und Gorillas entwickeln den sogenannten vierfüssigen Knöchelgang.
Die Anpassung an Gewicht und Grösse erklärt den Schwanzverlust zum grössten Teil. Doch es gibt noch einen weiteren Grund: In einem dichten Wald ist im unteren Bereich ein langer Schwanz nicht nur störend, sondern auch gefährlich. Die Tiere könnten sich verletzen und mit Krankheitserregern infiziert werden.
Eine genetische Mutation, die den Schwanz kürzer macht oder ganz zum Verschwinden bringt, käme da gerade richtig. Und genau das ist sehr wahrscheinlich passiert: Man weiss heute, dass das Gen, das bei allen Säugetieren das Wachstum des Schwanzes steuert, bei Menschen und Menschenaffen verändert ist.
Die Menschenaffen lebten vor zwölf bis acht Millionen Jahren schwanzlos und ausschliesslich in den Baumkronendächern. Dann wird das Klima schrittweise trockener, die Wälder beginnen sich zu lichten.
Von allen Vieren zum zweifüssigen Gang
Für die Menschenaffen bedeutet dies: Um grössere Distanzen zurückzulegen, müssen sie jetzt die Bäume verlassen. Sie brauchen neue Lösungen, wenn sie überleben wollen.
Wir sehen die ersten menschenartigen Vorfahren, die aufrecht gehen, vor ungefähr sieben, acht Millionen Jahren.
«Die Vorfahren der Schimpansen, Bonobos und Gorillas entwickeln den sogenannten vierfüssigen Knöchelgang», sagt Carel van Schaik, «dabei setzen sie mit den Fusssohlen der Hinterbeine und mit den zwei mittleren Fingergliedern der Hände auf dem Boden auf.» So wie sie es heute noch tun.
Anders die direkten Vorfahren des Menschen: Sie richten sich allmählich auf und gehen fortan auf zwei Beinen durch die Welt. Carel van Schaik sagt: «Wir sehen die ersten menschenartigen Vorfahren, die aufrecht gehen, vor ungefähr sieben, acht Millionen Jahren». Hinweise darauf habe die Anthropologie bei fossilen Beckenknochen gefunden, oder bei fossilen Schädeln und der Lage des sogenannten Hinterhauptslochs.
Auch der Homo sapiens hat noch «Schwanzmuskeln»
Zu dieser Zeit haben diese Menschenartigen ihren Schwanz längst verloren. Wer dem Schwanz nachtrauert, kann sich trösten: Die Schwanzmuskeln unserer Vorfahren sind der menschlichen Anatomie erhalten geblieben.
Sie bilden heute die Muskelplatte des Beckenbodens. Das umfunktionierte Überbleibsel unserer ehemaligen Schwanzmuskeln hat die Aufgabe, das Becken gegen unten zu verschliessen. Es stützt die inneren Organe und ermöglicht so unsere aufrechte Haltung.