«Die Trauer geht nicht weg, nur weil niemand darüber spricht», so Layla da Silva (Name geändert). Vor fünf Jahren starb ihr Bruder – Suizid. Auch ihre Mutter nahm sich vor 16 Jahren das Leben. Damals war Layla 14 Jahre alt. Und gerade an Weihnachten und an Neujahr ist das Fehlen von nahen Menschen sehr präsent. Heute ist Layla Kinder- und Jugendpsychologin. Und wünscht sich, dass mehr Menschen wissen, wie sie mit Trauernden umgehen sollen.
Trauer ist normal
Diesem Wunsch schliessen sich die Trauerbegleiterin Erika Schärer-Santschi und der reformierte Pfarrer Jürg Spielmann an. Alle drei sind sich einig: Trauern ist normal und benötigt Platz im Alltag – auch während den Festtagen.
Trauern ist die Reaktion unserer Seele, damit die Wunde heilen kann.
Erika Schärer-Santschi ist seit 26 Jahren in der Trauerbegleitung tätig und Präsidentin des Vereins Krisen- und Trauerbegleitung Schweiz. Sie erklärt: «Trauern ist Erinnern an das gemeinsam Erlebte mit dem verstorbenen Menschen. Früher galt: Die Verbindung zur verstorbenen Person muss aufgelöst werden. Heute wissen wir aus Studien: Das muss nicht sein. Die Beziehung darf behalten werden, doch sie muss umgestaltet werden. Dafür braucht es das Trauern.»
Trauern ist individuell
Im Zentrum jedes Trauerprozesses steht die Frage: Was brauche ich und was gibt mir Kraft? Gerade an Weihnachten und Neujahr ist die Frage wichtig. Will jemand die Tage allein verbringen, dann raten da Silva und Schärer-Santschi dennoch eine mögliche Alternative mit sozialen Kontakten zu planen.
Trauern ist sehr individuell: Einigen Menschen hilft es, kreativ zu werden. Einen Brief an den Verstorbenen zu schreiben, ein Bild zu malen oder die eigenen Gedanken als Sprachnachricht aufzunehmen. Anderen helfen Selbsthilfegruppen oder psychotherapeutische Beratungen. Dasselbe gilt für Kinder – auch sie gehen sehr individuell mit Trauer um.
Tipps an das Umfeld von Menschen, die trauern
Statt «Melde dich, wenn du Hilfe brauchst», soll man Trauernden aktiv begegnen. Also: «Wie geht es dir heute?» oder «Darf ich dir morgen etwas zum Mittagessen vorbeibringen?» Dabei, so sind sich alle drei Fachpersonen einig, gilt es vor allem zuzuhören und mit auszuhalten. Es kann und muss nichts gelöst werden.
Der Pfarrer Jürg Spielmann betont in seinen Kursen zur Sterbebegleitung: «Trauern fördern, aber nicht fordern.» Wichtig ist es, Angebote zu machen und die Antworten zu akzeptieren.
Layla da Silva erlebte bei beiden Todesfällen, dass sich viele Menschen mit Trauernden überfordert fühlen. Eine Hilfe geben die folgenden Faustregeln.
Was passiert, wenn Trauer nicht gelebt wird
«Wenn Menschen den Trauerprozess nicht angehen, dann berauben sie sich der Bandbreite an Emotionen – negative wie auch positive», so Psychotherapeutin da Silva. Und die Trauerbegleiterin Schärer-Santschi spricht von «der Trauer als die Kehrseite der Medaille der Liebe. Wird sie dauernd weggedrückt, können zusätzliche körperliche Beschwerden wie Schmerzen oder Schlafprobleme die Folge sein. Doch im Trauerprozess darf es auch Zeiten geben, in denen der Verlust nicht im Fokus steht. Lachen, fröhlich sein und Humor sollen ebenso Platz haben.»
Beim Trauerprozess können wir alle einander unterstützen – mit viel Zuhören und ohne vorgefertigte Meinungen, wie eine gute oder richtige Trauer auszusehen habe.