Zum Inhalt springen

Header

Zur Übersicht von Play SRF Audio-Übersicht

Wechseljahre Die Menopause: viel mehr als nur Beschwerden

Beim Thema Wechseljahre geht es meistens um Beschwerden. Doch viele Frauen erleben diese Lebensphase auch als beflügelnd. Jens Stepan findet: Die Menopause ist zu Unrecht negativ besetzt.

Jens Stepan

Gynäkologe

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Dr. med. Jens Stepan ist Oberarzt an der Frauenklinik des Universitätsspitals Zürich und betreut dort die Menopause-Sprechstunde mit.

SRF Wissen: Ist die Menopause eine «Diagnose» und somit krankhaft? Oder ist sie ein natürlicher Übergang in eine andere Lebensphase?

Jens Stepan: Physiologisch gesehen ist die Menopause ein ganz normaler Übergang im Leben fast aller Frauen – und sollte auf keinen Fall in erster Linie als Krankheit betrachtet werden. In dieser Zeit verändern sich einige Körperfunktionen: Die Produktion der weiblichen Sexualhormone in den Eierstöcken nimmt nach und nach ab, mit teilweise stärkeren Schwankungen, die auf die Menopause hinweisen.

Dabei können verschiedene Symptome auftreten, die je nach Frau mehr oder weniger ausgeprägt sind. Ein grosser Teil der Frauen hat allerdings nur leichte Beschwerden oder sogar gar keine.

Wie gross ist der Anteil von Frauen, die krankhafte Symptome entwickeln?

Aufgrund von Studien wissen wir , dass rund ein Drittel der Frauen schwere, das heisst behandlungsbedürftige Beschwerden hat.

Von Blasenschwäche bis Schweissausbrüche

Box aufklappen Box zuklappen

Die Menopause kann eine Fülle von Beschwerden auslösen. Die wichtigsten sind Hitzewallungen und Schweissausbrüche: Davon sind viele Frauen in den Wechseljahren betroffen, mehr oder minder heftig.

Ein anderes Hauptsymptom sind urogenitale Beschwerden wie Scheidentrockenheit, Blasenschwäche oder Probleme mit dem Beckenboden. Daneben treten auch Schlaflosigkeit, Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen, Stimmungsschwankungen oder Schlafstörungen auf.

In der Wechseljahre-Sprechstunde werden solche Symptome «selbstverständlich» behandelt, sagt Jens Stepan vom Universitätsspital Zürich. Allerdings können diese Beschwerden auch unabhängig von der Menopause auftreten, da sie mit zunehmendem Alter generell häufiger werden – auch bei Männern.

Hormone galten mal als Allerheilmittel gegen Wechseljahrbeschwerden, Anfang der Nullerjahre wurden sie als gefährlich eingestuft. Welchen Stellenwert hat die Hormontherapie heute?

Sie hat definitiv einen hohen Stellenwert. Bei schweren Beschwerden ist die Hormontherapie nach aktuellem wissenschaftlichem Stand die wirksamste Therapie, deren Risiken übrigens gering sind.

Man sollte das Thema vernünftig angehen und die Menopause als natürlichen Prozess darstellen, und eben nicht als Krankheitszustand.

Die Ängste, die Sie ansprechen, wurden über viele Jahre durch die amerikanische WHI-Studie bekräftigt. Dank nachfolgenden Untersuchungen wissen wir heute, dass Risiken wie Herzinfarkt oder Schlaganfall damals deutlich überschätzt und zudem unzureichend und missverständlich kommuniziert wurden. Die WHI-Ergebnisse sind auch deshalb nicht auf heute übertragbar, weil heute bioidentische Medikamente zum Einsatz kommen. Diese haben gegenüber synthetischen Präparaten eindeutige Vorteile.

Bioidentische Hormone

Box aufklappen Box zuklappen

Als «bioidentisch» oder auch «körperidentisch» werden Hormone bezeichnet, deren chemische Molekülstruktur exakt derjenigen entspricht, die der weibliche Körper in den Eierstöcken produziert.

Bioidentische Hormone werden anders angewendet als frühere Hormonpräparate, wie der Gynäkologe Jens Stepan erklärt: «Wir versuchen heute, das Östrogen als sehr wichtige Komponente der Hormontherapie über die Haut, als Gel oder als Pflaster anzuwenden und nicht mehr als Hormone, die geschluckt werden.»

Letztere hätten einen anderen, eher nachteiligen Impact auf den Körper, speziell, was das Thromboserisiko angehe. «Die Östrogene, die man schluckt, durchlaufen die Leber und führen dort zu Veränderungen, die die Blutgerinnung betreffen. Das passiert nach aktuellem Wissensstand bei den Hormonen, die über die Haut angewendet werden, nicht.»

Was brauchen Frauen nach Ihrer Erfahrung sonst noch in dieser Lebensphase, jenseits der Behandlung körperlicher Symptome?

Es braucht grundsätzlich mehr allgemeine Aufklärung zur Menopause. Sie ist sowohl in der Forschung als auch im gesellschaftlichen Diskurs eindeutig unterrepräsentiert. Aufklärung heisst, man sollte das Thema vernünftig angehen und die Menopause als natürlichen Prozess darstellen, und eben nicht als Krankheitszustand.

Der gesellschaftliche Diskurs fokussiert zu einseitig auf Beschwerden und Therapiebedarf.

In der gesellschaftlichen Wahrnehmung ist die Menopause häufig negativ besetzt, sie steht für Verlust, für körperlichen Niedergang und Krise. Doch das sind in erster Linie kulturelle und gesellschaftliche Zuschreibungen. Zu Unrecht, denn viele Frauen gehen gestärkt aus der Menopause hervor. Sie erleben sie als einen wichtigen Lebensabschnitt, der neue Freiheiten mit sich bringen kann.

Braucht die Menopause ein neues Narrativ?

Ja. Und es braucht Beispiele von Frauen, die hinstehen und sagen: ‹Die Wechseljahre sind eine grossartige Phase, in der ich mich neu erfunden habe, in der ich aufgeblüht bin.› Der gesellschaftliche Diskurs fokussiert zu einseitig auf Beschwerden und Therapiebedarf. Aber wie gesagt, das betrifft längst nicht alle Frauen.

Dahinter steht zum Teil auch Marketing – nicht von uns Ärzten, sondern von den Firmen, die ihre Produkte verkaufen wollen. Deswegen wird die Menopause öffentlich pathologisiert. Wir Mediziner können hier gegensteuern und Frauen darin bestärken, auch die positiven Aspekte zu sehen.

Das Gespräch führte Irène Dietschi.

Radio SRF 2 Kultur, Kulturplatz Talk, 26.11.2025, 09:05 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel