Bei verschiedenen Tierarten ist belegt, dass sich Sexualpartner zueinander hingezogen fühlen, wenn sich ihre MHC-Gene unterscheiden. Denn: Unterschiedliche Immun-Gene können dem Nachwuchs ein vielseitigeres Immunsystem geben – und damit einen besseren Schutz vor Krankheiten.
Evolutions-Biologe Claus Wedekind forscht bereits seit Jahrzehnten auf dem Gebiet der genbasierten Partnerwahl. Aktuell arbeitet er am Schweizerischen Institut für Pferdemedizin.
SRF Wissen: Herr Wedekind, Sie erforschen derzeit die Partnerwahl von Stuten. Kann man die Erkenntnisse aus ihrer Forschung mit Pferden auch auf die menschliche Partnerwahl übertragen?
Claus Wedekind: Wir betrachten hier etwas, das vermutlich Hundert Millionen Jahren alt ist: Man kann genabhängige Partnerwahl bei verschiedenen Fischarten, bei Vögeln und anderen Wirbeltieren beobachten. Wenn man einen derart alten Mechanismus studiert und dieser bei verschiedenen Säugetieren funktioniert, kann man mutig daraus schliessen, dass diese Resultate auch auf andere Säugetiere und damit eben vielleicht auch auf den Menschen anwendbar sind.
Wir betrachten hier etwas, das vermutlich Hundert Millionen Jahren alt ist.
Mit Menschen kann man in bestimmten Bereichen [zum Beispiel bei der Fortpflanzung, Anm. d. Red.] nicht experimentell forschen. Man kann also nichts beweisen und muss sich auf die Modellforschung an Tieren verlassen und dann gewichten, wie sehr sich die Resultate auch auf den Menschen übertragen lassen.
Wie wichtig sind die von ihnen untersuchten Gene denn bei der Partnerwahl?
Es gibt Datensätze von Menschen, die darauf hindeuten, dass die sogenannten MHC-Gene tatsächlich auch heute noch eine Rolle spielen bei der Partnerwahl. Darauf untersuchte Probanden hatten zum Beispiel überzufällig häufig MHC-Gen-unähnliche Eltern – ein Hinweis darauf, dass der MHC-Genkomplex die Partnerwahl immer noch beeinflusst.
Eindeutiger scheint der genetische Einfluss auf unsere Fortpflanzung. Was weiss man dazu?
Ja, es gibt einige Hinweise darauf, dass es so ist. So korreliert zum Beispiel der nicht erklärbare Anteil an Spontan-Aborten im ersten Schwangerschafts-Trimester sehr stark mit der Ähnlichkeit der MHC-Gene der werdenden Eltern; je häufiger diese Gene bei Mann und Frau ähnlich sind, desto häufiger geschieht ein solcher Schwangerschaftsabbruch. Das wurde verschiedentlich festgestellt.
Auch die Dauer zwischen zwei erfolgreichen Schwangerschaften hat einen Zusammenhang mit diesen Genen. Das haben andere Forschungsarbeiten gezeigt.
Aber das sind natürlich Hinweise und keine experimentellen Belege. Wie gesagt: Es braucht ein Modell, und darum machen wir die experimentelle Forschung mit den Pferden.
Das Gespräch führte Andrea Fischli