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Ein Computerystem soll bei der Verhaltensforschung von Schimpansen helfen
Aus Wissenschaftsmagazin vom 13.11.2021.
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Effiziente Verhaltensforschung Lernen wir Schimpansen mit künstlicher Intelligenz besser kennen?

Ein Computersystem kann gezielt bestimmte Verhaltensweisen auf Videoaufnahmen von Schimpansen erkennen. Das spart Zeit und Arbeit – und könnte auch beim Artenschutz helfen.

Wenn wild lebende Schimpansen den anderen Mitgliedern ihrer Gruppe eine Nachricht zukommen lassen wollen, nutzen sie dafür eine Art Buschtelefon. Sie trommeln mit den Händen auf die Brettwurzeln grosser Bäume und erzeugen gut hörbare Signale. Wann genau sie diese Art der Kommunikation einsetzen, ist aber schwer zu untersuchen. Denn das Trommeln selbst dauert nur wenige Sekunden. Um es auf den Videos zu entdecken, die von automatischen Kamerafallen aufgezeichnet werden, sind viele Stunden Arbeit nötig.

Welcher Affe macht wann was?

Was, wenn die mühsame Auswertung der Videos automatisch erfolgen könnte? An dieser Idee arbeiten Max Bain, IT-Spezialist an der Oxford-University, und seine Kollegen. Um das gewünschte Verhalten der Schimpansen auf den Aufnahmen zu erkennen, musste eine künstliche Intelligenz bestimmte Dinge können. Als Erstes brachte Max Bain dem System bei, einzelne Affen zu erkennen und ihren Bewegungen in den Videos zu folgen. Die Tiere werden mit einem Kästchen markiert und sind so jederzeit auffindbar.

Als Nächstes trainierte Max Bain das künstliche neuronale Netzwerk darauf, zu erkennen, wenn ein Affe auf einer Baumwurzel trommelt. Dazu fütterte er das System mit Beispielaufnahmen dieses Verhaltens. Anschliessend sollte es in der Lage sein, die Bewegungen der einzelnen Affen auszuwerten und das Trommeln automatisch zu erkennen. Auch ein zweites Verhalten kann die KI erkennen: das Nüsseknacken. Dabei legen die Schimpansen Nüsse auf einen Stein und schlagen immer wieder mit einem zweiten Stein auf die Schale, um sie zu öffnen und an die Nuss im Inneren zu gelangen.

Bessere Erkennung durch Bild und Ton

Weil die Schimpansen und ihre Bewegungen auf den Videos nicht immer optimal zu sehen sind, trainierte Max Bain das System ausserdem darauf, die jeweiligen Geräusche zu erkennen, denn auch das Knacken der Nüsse erzeugt einen typischen Knall. Mithilfe dieser beiden Signale lag die Erfolgsquote, mit der Trommeln und Nüsseknacken korrekt identifiziert werden, bei mehr als 70 Prozent. Auch erste Forschungsfragen liessen sich so beantworten: Trommeln ausgewachsenen Männchen häufiger oder länger als Jungtiere oder Weibchen?

Ein Fortschritt für Forschung und Artenschutz

Auch auf andere Verhaltensweisen oder weitere Tierarten lässt sich das System trainieren, sagt Max Bain. Das Vorgehen wäre dabei identisch. Neben der konkreten Verhaltensforschung könnte auch der Artenschutz von der automatischen Auswertung profitieren. Ändert sich das Verhalten einer Gruppe von Tieren, ohne dass es dafür einen erkennbaren Grund gibt, könnte das ein Frühwarnsignal dafür sein, dass im Lebensraum der Gruppe etwas nicht stimmt. Zum Beispiel durch den Klimawandel oder menschliche Aktivität. Und das auch ohne zeit- und arbeitsintensive Auswertung.

Wissenschaftsmagazin, 13.11.2021, 12:40 Uhr

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