Seit Jahrhunderten beobachtet der Mensch Insekten. Aber was das Team um Consuelo De Moraes und Mark Mescher von der ETH Zürich nun rausgefunden hat, wurde noch nie beschrieben: Die schwarz-gelben Erdhummeln haben einen Trick, mit dem sie den Blühzeitpunkt von Pflanzen stark beschleunigen können. Vor allem früh im Jahr, wenn noch wenig blüht, können die Hummeln so schneller zu Blütenpollen und Nektar kommen.
«Per Zufall entdeckt»
Consuelo de Moraes kniet vor einer Senfpflanze im Versuchsgarten der ETH mitten in Zürich und zeigt auf ein Blatt. Das Loch darin ist nur bei genauem Hinsehen zu erkennen.
«Wir haben das per Zufall entdeckt», sagt De Moraes, «die Hummeln machen die Löcher mit ihren Mundwerkzeugen und dem Rüssel». «Ich konnte das zu Beginn selbst kaum glauben», sagt ihr Kollege Mark Mescher, «wir starteten deshalb gezielte Experimente.»
Wirksamer Trick
Was die Löcher bewirken, testeten die beiden ETH-Professoren mit Hummeln im Labor. Einen Drittel der Pflanzen schützten sie mit Gittern gegen die Verletzungen durch die dicken Brummer. Ein weiteres Drittel der Pflanzen verletzten die Forscher selber, mit Rasierklinge und Pinzette, so ähnlich wie möglich wie die Hummeln.
Die Resultate waren verblüffend: Die von den Hummeln verletzten Tomaten blühten 30 Tage früher als die unverletzten Pflanzen. Bei den Senfpflanzen war die Blüte um 16 Tage früher, während die Schnitte der Forscher den Blühzeitpunkt nur um einige wenige Tage vorverschob.
Danach hungerten die Forscher ein Hummel-Volk gezielt aus und gaben dem anderen Pollen und Nektar im Überfluss. Prompt begann die hungrigen Hummeln die Pflanzen heftiger zu attackieren als die satten.
Bienen nutzen den Trick nicht
Noch immer glaubten die Forscher nicht, was sie beobachteten. «Wir dachten, vielleicht hat das alles mit der künstlichen Laborsituation zu tun – oder wir haben hier einfach verrückte Hummeln», sagt De Moraes lachend.
Sie stellten deshalb Hummelnester auf die Dachterrassen der ETH, wo auch verschiedene einheimische Wildblumen wachsen. Über dem Einflugloch der Nester fixierten sie je einen Schminkpinsel, so dass die Hummeln bei jedem Ein- und Ausflug farbig markiert wurden. «Nun wussten wir, aus welchem Hummelvolk das Tier stammt, oder ob es sich um eine wilde Hummel aus der Stadt handelt», sagt De Moraes.
Es zeigte sich, dass die Hummeln auch einheimische Blütenpflanzen gezielt durchlöchern. Und nicht nur das: Auch zwei weitere einheimische Hummelarten wendeten den Trick an, nicht aber die Wildbienen und die Honigbienen, die ebenfalls auf den Dächern Pollen sammelten.
Chemische Injektionen?
Mit ihrer erstaunlichen Entdeckung brachten es die beiden Spezialisten auf dem Gebiet der Interaktion von Pflanzen und Insekten nun ins renommierte Wissenschaftsmagazin «Science».
Doch viele Fragen bleiben offen: Wie genau funktioniert der Mechanismus? Geben die Hummeln allenfalls beim Beissen irgendeinen chemischen Stoff ab? Dient ihnen der Trick auch dazu, die Bestäubung zeitlich besser zu koordinieren, was mit dem Klimawandel sonst zunehmend schwieriger wird? Die Hummelforscherin und der Hummelforscher werden ihre Studien fortsetzen.