Wildpferde waren nicht einfach zu zähmen. Jahrtausende zuvor hatten die Menschen Schweine, Ziegen, Schafe, Rinder, ja sogar Esel domestiziert. Nicht aber Pferde. Die Tiere waren schlicht zu wild – ausser einige von ihnen, eine Population, die in der Eurasischen Steppe lebte.
Vom Nahrungslieferanten zum Reittier
Die Pferde dieser Steppenregion, die sich von Osteuropa bis zur Mongolei erstreckt, waren von Natur aus fügsamer und zutraulicher. Einige hatten Genveränderungen, die dieses Verhalten verstärkten. So begann die Domestikation der Pferde, erklärt Laurent Frantz, Professor für Paläogenomik in München: «Der erste grosse Schritt ereignete sich vor 5500 Jahren in der Steppe von Kasachstan: Damals begannen die Menschen, die dort lebten, Pferde in Gehegen zu halten und das Fleisch, aber auch die Milch der Tiere zu verwerten. Zum Reiten allerdings eigneten sich diese Pferde noch nicht.»
Dieser Übergang sei rund 1000 Jahre später passiert, nördlich des Kaspischen Meers im heutigen Russland. «Wir wissen aus der Archäologie wenig über die kulturellen Umstände dieses Wandels», sagt Laurent Frantz, «doch fest steht: Aus einem Fleisch- und Milchlieferanten wird vor 4500 Jahren ein Tier, das geritten wird, das einen Wagen ziehen kann, das man für den Transport und den Krieg verwenden wird.»
All das lag an einer winzigen Verschiebung in der Erbsubstanz, an einem Gen namens GSDMC, wie die im Fachjournal Science erschienene Studie zeigt. Die Mutation bewirkte deutliche anatomische Veränderungen bei diesen Pferden: Sie hatten einen breiteren Rücken, eine flachere Wirbelsäule, eine bessere Ausdauer und stärkere Vorderbeine als ihre Artgenossen.
Schneller als jeder andere Domestikationsprozess
Dass eine einzige genetische Abweichung das Äussere derart wandeln kann, ist schon verblüffend. Noch erstaunlicher ist, wie rasant sich die Mutation in der Eurasischen Steppe verbreitete: Vor 4500 Jahren hatte nur 1 Prozent der Pferde das veränderte Gen, ein paar hundert Jahre später waren es 100 Prozent, erzählt Laurent Frantz.
«In dem Moment, als die Menschen zu reiten begannen und dabei jene Pferde mit dieser Mutation und den auffälligen Merkmalen bevorzugten, ging es sehr schnell – schneller als bei jedem anderen Domestikationsprozess, den wir aus der Geschichte kennen.» Bei Hunden zum Beispiel habe es 20’000 Jahre gedauert, bis sie sich an den Menschen gewöhnt hätten, und erst im 19. Jahrhundert begann das Züchten von Hunderassen. «Bei den Pferden vor 4500 Jahren stellen wir fest, dass die Leute damals sehr gezielt selektiert haben. Doch wie sie’s genau gemacht haben, wissen wir nicht.»
Eines jedoch sei sicher, sagt Laurent Frantz: Diese ersten Reiter hätten eine Revolution in Gang gesetzt, die die Welt verändert hat.