Sie sind zäh, kleinwüchsig und tragen Namen wie Gletscherhahnenfuss, Alpenmannsschild oder ladinisches Hungerblümchen. Diese Gipfelpflanzen wachsen in der stillen Natur hoch über der Waldgrenze.
Sie bekommen immer mehr Gesellschaft, sagt Sonja Wipf vom Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos: «Im Vergleich zu vor etwa hundert Jahren sind heute deutlich mehr Pflanzenarten auf den Gipfeln. Und diese Zunahme ist immer schneller geworden, speziell in den letzten zwanzig, dreissig Jahren.»
Beschleunigte Reaktion auf den Klimawandel
Sonja Wipf hat mit vielen anderen Forschenden die Vegetation auf 300 Berggipfeln in ganz Europa unter die Lupe genommen – dies mit eigenen Pflanzenzählungen und anderen, früheren Daten, auch aus den Schweizer Alpen. «Ein eindrückliches Beispiel ist der Piz Linard. Sein Erstbesteiger hat 1835 eine Pflanze – den Alpenmannsschild – gefunden. Und heute gibt es dort 16 Arten und viele Individuen davon.»
Heute findet man auf Berggipfeln zum Beispiel Arnika, Alpenlöwenzahn und Farne. Diese Pflanzen aus tieferen Lagen konnten sich in die Höhe ausbreiten, weil es wärmer geworden ist.
Die Klimaerwärmung schreitet immer schneller voran, und entsprechend vergrössert sich die hochalpine Pflanzenvielfalt. Für einmal eine positive Nachricht von der Klimafront, doch auch die nicht ganz ungetrübt.
Die angestammten Gipfelpflanzen gedeihen zwar gut bei wärmeren Temperaturen. Aber sie seien konkurrenzschwach, sagt Biologin Sonja Wipf.
«Das heisst, wenn neue Arten dazukommen, die grösser werden und schneller wachsen, treten diese in Konkurrenz mit den angestammten Gipfelarten. Das wird in Zukunft ein Problem für diese Gipfelpflanzen werden.»
Wie erfolgreich sich also etwa das seltene ladinische Hungerblümchen künftig behaupten kann, bleibt abzuwarten. Zumindest vorläufig aber werden die neuen Gipfelpflanzen den Artenreichtum im Hochgebirge weiter vergrössern.