Im Yellowstone-Nationalpark im Nordwesten der USA leben neben Bären und Bisons auch zahlreiche Grauwölfe. Ein Teil dieser Tiere ist von dem Parasiten Toxoplasma gondii befallen, und der verändert ihr Verhalten.
Eine neue Studie zeigt: «Die Wölfe, die den Parasiten haben, entwickeln sich öfter als sonst zu Leitwölfen», so Studien-Co-Autorin Kira Cassidy. Die Wahrscheinlichkeit, Leitwolf zu werden, liege bei ihnen ganze 46-Mal höher als bei nicht infizierten Tieren. Und es sei 11-Mal wahrscheinlicher, dass sie ihr sicheres Rudel verlassen. Sie werden einen Tick aggressiver und furchtloser.
Auch Mäuse verlieren ihre Angst
Die grosse Langzeitstudie mit Blutproben von 230 Wölfen und Angaben zu ihrem Verhalten, belegt besonders eindrucksvoll, was schon von anderen Tieren – von Schimpansen bis Hyänenwelpen – bekannt ist. So hat eine Studie der Universität Genf gezeigt: Toxoplasma-infizierte Labor-Mäuse verlieren «nicht nur ihre Angst vor Katzen, sondern auch vor Menschen, vor der Höhe und anderen Gefahren. Sie werden allgemein furchtlos», sagt Forscher Ivan Rodriguez.
Aus Sicht des Parasiten macht das Sinn. Furchtlose Tiere werden öfter gefressen und dadurch gelangt der kleine Einzeller in neue Wirte. Im neuen Körper nistet er sich dann ein, auch im Gehirn, wo er bei Versuchstieren u.a. den Stoffwechsel verändert. Was ganz genau der Parasit dort tut, ist noch offen. Doch klar scheint: Wenn dieser Neuroparasit einmal im Gehirn seines Wirts drin ist, dann bleibt er dort, in einer Art Schlafzustand.
Ein Drittel der Menschen ist infiziert
Der Toxoplasma-Erreger ist weit verbreitet, sagt Kira Cassidy. «Auch ein Drittel aller Menschen hat den Erreger, ohne es zu wissen.» Die meisten Menschen haben keine oder unauffällige Symptome. Gefährlich kann der Parasit für Embryos sein. Schwangere – ebenso wie Immungeschwächte – sollten daher den Kot von Katzen, dem Endwirt des Erregers, tunlichst vermeiden, und Fleisch nur gekocht essen.
Es gibt eine Reihe von Studien, die auch bei Menschen eine grössere Risikobereitschaft zeigt.
Doch werden auch Menschen risikofreudiger? «Tatsächlich gibt es eine Reihe von Studien, die auch bei Menschen eine grössere Risikobereitschaft nachweisen», sagt Ivan Rodriguez. Diese Studien zeigen: Personen mit dem Erreger haben öfter Autounfälle, sie gründen deutlich öfter Start-ups oder haben eine grössere Neigung zu pathologischem Jähzorn. Auch erhöhte Dopamin- und Testosteron-Werte wurden gemessen.
Versteckter Antrieb bei Abenteuersport?
Es könnte sein, meint die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Yellowstone Nationalparks, Kira Cassidy, dass Leute, die extrem gefährliche Sportarten wie Skydiving machen, «nicht nur durch persönliche Neigungen angetrieben werden, sondern auch durch den Toxoplasmose-Erreger».
Klar belegt sei das allerdings nicht. Allgemein zeigen die bisherigen Studien immer nur Korrelationen, keinen ursächlichen Zusammenhang. Ob und wie konkret «Toxoplasma gondii» das komplexe menschliche Verhalten steuert – gilt es noch zu beweisen. Bei infizierten Tieren wie Mäusen und Wölfen aber – kann man heute sagen: Ein kleiner Neuroparasit zieht in ihnen die Strippen.