Sie stehen etwas erhöht über dem Bachbett auf einem Gerüst aus Holz: Drei schmale, graue Wannen aus Kunststoff. Sie sind einen halben Meter breit, zwei Meter lang und mit Plexiglas abgedeckt. Rolf Schatz, der Präsident des Naturschutzvereins Sihltal, klappt das Plexiglas hoch, damit wir hineinschauen können.
Sand und Wasser kommen zum Vorschein, von Bachmuscheln weit und breit keine Spur. Die seien aktuell kaum grösser als ein Sandkorn und tief im Sand vergraben, erklärt Schatz.
Ohne Fische keine Jungmuscheln
Etwas tut sich aber doch, Dutzende kleine Fischchen flitzen durch das Wasser: Elritzen. «Ohne diese Kleinfische können sich die Bachmuscheln nicht vermehren», sagt Schatz. Die Muschellarven beissen sich nämlich in den Kiemen der Fische fest und wachsen dort, geschützt, zu winzigen Muscheln heran. Nach drei Wochen verlassen sie die Fische wieder, lassen sich fallen und vergraben sich im Sand.
In der Natur funktioniert das jedoch seit einiger Zeit immer seltener. Im Mittelland sei Population um Population verschwunden, sagt Isabelle Flöss von der Fachstelle Naturschutz des Kantons Zürich. «Im Kanton Zürich gibt es noch drei Populationen in Bächen, schweizweit sind es nicht viel mehr», so die Biologin.
Die Gründe: Bachmuscheln brauchen sauberes Wasser, ein natürliches Bachbett und viele Wirtsfische – Elritzen, Grundeln oder Alet. Forellen nehmen sie nicht an.
Fehlt auch nur einer der drei Faktoren, wird es für die Muscheln schwierig. «Vor allem die Jungmuscheln reagieren sehr empfindlich», sagt Flöss. Zum Beispiel auf Nitrat: Ist die Konzentration zu hoch, sterben sie. Die alten Muscheln seien noch da, doch der Nachwuchs fehlt.
Aufwändiger Rettungsversuch
Um nachzuhelfen und die letzten Populationen zu retten, versucht der Kanton seit Jahren, die Muscheln zu züchten – erfolglos, bis letztes Jahr: «Die Freude und Erleichterung war enorm gross, dass es 2024 endlich geklappt hat», sagt Rolf Schatz. 20 Jungmuscheln wuchsen hier in Thalwil in einer ersten grauen Wanne auf Erbsengrösse heran.
«Nun gilt es einfach zu kontrollieren und zu hoffen, dass wir bis im Dezember wieder junge Muscheln haben», sagt Schatz. Dieses Jahr mit drei Wannen dürfte die Ausbeute gar etwas höher ausfallen. Und wenn es funktioniert, will Schatz die Muscheln wie die vom letzten Jahr im Bach aussetzen.
Er hofft, dass sich die Muscheln etablieren, sich irgendwann fortpflanzen, ohne menschliche Hilfe. Mindestens 120 Muscheln brauche es dafür, sagt Isabelle Flöss. Mehr wären besser. Das bedeutet: Jahr für Jahr werden sie fortan Muscheln hier in den Bach setzen.
Der Ausgang ist ungewiss, der Aufwand gross, doch nun mal nötig sagt die Biologin: «Es hätte nie so weit kommen dürfen.» Doch ohne Zucht werde man die verbleibenden Populationen wohl auch noch verlieren. «Wir ziehen jetzt wirklich an der Reissleine und hoffen, dass wir die Bachmuschel retten können.»
Man trage eine Verantwortung für dieses Tier, das einst überall vorkam und heute praktisch nirgends mehr. Eine Verantwortung, die es wahrzunehmen gelte.