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Seltener Zugvogel zu Besuch Der Waldrapp: ein umstrittener Rückkehrer

Zum zweiten Mal hat ein Waldrapp-Paar dieses Jahr in der Schweiz gebrütet. Damit lässt sich eine seltene Vogelart wieder blicken, die vor 400 Jahren aus unseren Breitengraden verschwunden ist. Ob der Waldrapp wieder zurückkehren soll, ist aber umstritten.

In der Gewerbezone von Vaulruz im Kanton Freiburg tauchte im Frühling ein Waldrapp-Paar auf und baute sich sein Nest in einer Fensternische. Anfang Juni schlüpften dort drei Küken. 2023 gab es im zürcherischen Rümlang bereits eine erfolgreiche Waldrappbrut, auch dort der Gewerbezone. Es war damals wohl das erste Mal seit rund 400 Jahren, dass hierzulande wieder Waldrappe brüteten.

Wie verbreitet war der Waldrapp vor 400 Jahren?

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Der Waldrapp war bis vor 400 Jahren auch nördlich der Alpen anzutreffen. Das belegen verschiedene Quellen, wie das berühmte Vogelbuch des Zürcher Universalgelehrten Conrad Gessner von 1557. Auf solche Quellen beruft sich auch das Waldrappteam und behauptet, dass der Waldrapp damals vom Menschen ausgerottet worden sei. Dies, weil gemäss einigen historischen Quellen, sein Fleisch beliebt gewesen ist, besonders in adligen Kreisen.

«Da ist sehr viel Wunschdenken dahinter», sagt Ökologe und Vogelkundler Armin Landmann, der mehrere Artikel zum historischen Vorkommen des Waldrapps verfasst hat. Es gebe einige gut belegte Brutstandorte nördlich der Alpen, aber ein breites Vorkommen lasse sich daraus nicht ableiten. Und das Verschwinden der nördlichen Population gehe einher mit der kleinen Eiszeit, die sich damals mit einer deutlichen klimatischen Abkühlung bemerkbar machte.

Sowohl bei Vaulruz als auch in Rümlang kamen die Elterntiere aus der Kolonie des Waldrappteams im süddeutschen Überlingen.

Das Waldrappteam

Das Waldrappteam ist ein Projekt des österreichischen Biologen Johannes Fritz. Er begann vor mehr als 20 Jahren damit, Waldrappküken aus Zoohaltungen aufzuziehen und ihnen mit einem Hängegleiter die Route in ein Wintergebiet in Italien anzutrainieren. Das Ziel von Johannes Fritz ist die Wiederansiedlung des Waldrappen als Zugvogel in Europa – und dafür müsse er im Sommer hier brüten: «Das nördliche Alpenvorland ist mit Abstand das beste, effizienteste und nachhaltigste Brutgebiet für Waldrappe in Europa», so Fritz.

Aufwändiges Ansiedlungsprojekt

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Rund 370 Waldrappe hat das Waldrappteam während der letzten 20 Jahre bisher aktiv ausgesiedelt. Dieses Jahr zieht das Waldrappteam mit 29 Jungvögeln bis nach Spanien, in rund 50 Etappen. Die zwei Flugzeuge, die Hängegleiter werden von einem Bodenteam begleitet – insgesamt sind es 18 Leute. Das ist aufwändig und teuer. Mitfinanziert wird das Waldrappteam durch den LIFE-Fonds der EU sowie private und institutionelle Spenderinnen und Spender.

In seinem Projekt, das auch Gelder aus EU-Fördertöpfen erhält, ist die Gründung einer Kolonie in der Schweiz vorgesehen. Die Schweiz liege mitten im optimalen Bruthabitat, so Fritz. «Es macht überhaupt keinen Sinn, die Schweiz herauszunehmen aus einer gesamteuropäischen Wiederansiedlung des Waldrapps.» Beim Bundesamt für Umwelt (Bafu) wurde deshalb ein Gesuch gestellt. Konkret: für eine Kolonie beim Tierpark Goldau.

Bafu: viele offene Fragen

Doch das Bafu hat diese Anfrage abgelehnt, «weil nicht vorgesehen ist, den Waldrapp in der Schweiz wieder anzusiedeln», schreibt das Bundesamt auf Anfrage von SRF. «Dafür müssten zuvor verschiedene Fragen geklärt werden, beispielsweise, ob genügend geeigneter Lebensraum in der Schweiz besteht und die Art langfristig in der Schweiz überleben könnte.»

Ob die heutigen Lebensräume in Mitteleuropa und Westeuropa für den Waldrapp überhaupt noch geeignet sind, das steht komplett in den Sternen.
Autor: Raffael Ayé Geschäftsführer Birdlife Schweiz

Die Haltung des Bafu ist im Einklang mit dem internationalen Zugvogel-Abkommen AEWA. Dieses sieht ebenfalls keine Wiederansiedlung des Waldrapps in Westeuropa vor.

Auch Birdlife ist dagegen

Auch bei der Vogelschutz-Organisation Birdlife Schweiz hält man wenig von einer Wiederansiedlung. «Wir können so das Rad der Zeit nicht 400 Jahre zurückdrehen», sagt Geschäftsführer Raffael Ayé. «Ob die heutigen Lebensräume in Mitteleuropa und Westeuropa für den Waldrapp überhaupt noch geeignet sind, das steht komplett in den Sternen.»

Der Waldrapp brauche die Hilfe vom Menschen, so wie andere Tierarten auch, hält Johannes Fritz dem entgegen. Er zähle zu den Arten, die mit der vom Menschen geprägten Umwelt gut zurechtkomme. «Der Waldrapp braucht offene Lebensräume, Wiesen, Weiden. Und die hat er bei uns zur Verfügung.»

Raffael Ayé von Birdlife Schweiz bezeichnet es als «absolutes Hochrisikoprojekt, wo man viele Ressourcen investiert und am Ende nicht weiss, ob es je gelingen wird, dass man eine selbstständig überlebensfähige Population haben wird.»

Wachsender Wildbestand in Marokko

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Immerhin: akut vom Aussterben bedroht, wie noch vor ein paar Jahren, ist der Waldrapp nicht mehr. Die letzte verbliebene Wildpopulation im Westen von Marokko hat sich in den letzten Jahren deutlich erholt, auf inzwischen rund 800 Waldrappe.

Aber noch immer gilt er als gefährdete Art. Sowohl für Armin Landmann als auch für Birdlife Schweiz ist es deshalb vordringlich, vor Ort in Marokko weiter in den Schutz des Waldrapps zu investieren.

Johannes Fritz hingegen rechnet damit, dass man in zwei bis drei Jahren die Schwelle von 330 Tieren für eine sich selbstständig erhaltende Population überschreiten werde. Er räumt aber ein, dass es wohl weiterhin Stützungsmassnahmen für die ausgesetzten Tiere brauche.

SRF 1, Einstein, 18.9.2025, 21:05 Uhr

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