In der Gewerbezone von Vaulruz im Kanton Freiburg tauchte im Frühling ein Waldrapp-Paar auf und baute sich sein Nest in einer Fensternische. Anfang Juni schlüpften dort drei Küken. 2023 gab es im zürcherischen Rümlang bereits eine erfolgreiche Waldrappbrut, auch dort der Gewerbezone. Es war damals wohl das erste Mal seit rund 400 Jahren, dass hierzulande wieder Waldrappe brüteten.
Sowohl bei Vaulruz als auch in Rümlang kamen die Elterntiere aus der Kolonie des Waldrappteams im süddeutschen Überlingen.
Das Waldrappteam
Das Waldrappteam ist ein Projekt des österreichischen Biologen Johannes Fritz. Er begann vor mehr als 20 Jahren damit, Waldrappküken aus Zoohaltungen aufzuziehen und ihnen mit einem Hängegleiter die Route in ein Wintergebiet in Italien anzutrainieren. Das Ziel von Johannes Fritz ist die Wiederansiedlung des Waldrappen als Zugvogel in Europa – und dafür müsse er im Sommer hier brüten: «Das nördliche Alpenvorland ist mit Abstand das beste, effizienteste und nachhaltigste Brutgebiet für Waldrappe in Europa», so Fritz.
In seinem Projekt, das auch Gelder aus EU-Fördertöpfen erhält, ist die Gründung einer Kolonie in der Schweiz vorgesehen. Die Schweiz liege mitten im optimalen Bruthabitat, so Fritz. «Es macht überhaupt keinen Sinn, die Schweiz herauszunehmen aus einer gesamteuropäischen Wiederansiedlung des Waldrapps.» Beim Bundesamt für Umwelt (Bafu) wurde deshalb ein Gesuch gestellt. Konkret: für eine Kolonie beim Tierpark Goldau.
Bafu: viele offene Fragen
Doch das Bafu hat diese Anfrage abgelehnt, «weil nicht vorgesehen ist, den Waldrapp in der Schweiz wieder anzusiedeln», schreibt das Bundesamt auf Anfrage von SRF. «Dafür müssten zuvor verschiedene Fragen geklärt werden, beispielsweise, ob genügend geeigneter Lebensraum in der Schweiz besteht und die Art langfristig in der Schweiz überleben könnte.»
Ob die heutigen Lebensräume in Mitteleuropa und Westeuropa für den Waldrapp überhaupt noch geeignet sind, das steht komplett in den Sternen.
Die Haltung des Bafu ist im Einklang mit dem internationalen Zugvogel-Abkommen AEWA. Dieses sieht ebenfalls keine Wiederansiedlung des Waldrapps in Westeuropa vor.
Auch Birdlife ist dagegen
Auch bei der Vogelschutz-Organisation Birdlife Schweiz hält man wenig von einer Wiederansiedlung. «Wir können so das Rad der Zeit nicht 400 Jahre zurückdrehen», sagt Geschäftsführer Raffael Ayé. «Ob die heutigen Lebensräume in Mitteleuropa und Westeuropa für den Waldrapp überhaupt noch geeignet sind, das steht komplett in den Sternen.»
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Bild 1 von 6. Waldrapp Nest in der Fensternische eines Sitzungszimmers: drei Eier befanden sich im Mai im Nest in Vaulruz FR. Bildquelle: SRF.
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Bild 2 von 6. Nest in Vaulruz im Juni: drei Küken sind geschlüpft – eines ging später verloren. Bildquelle: SRF.
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Bild 3 von 6. Das erste Waldrapp-Nest in Rümlang im Jahr 2023. Bildquelle: Zoo Zürich.
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Bild 4 von 6. Waldrapp-Darstellung im Vogelbuch des Zürcher Universalgelehrten Conrad Gessner von 1557. Bildquelle: e-rara/ZB/Conrad Gessner/SRF.
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Bild 5 von 6. Aufzucht beim Waldrappteam: kaum geschlüpft, kümmern sich nur noch die zwei Ziehmütter um die Küken und werden so zu ihren vermeintlichen Eltern. Bildquelle: Waldrappteam.
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Bild 6 von 6. Zwischenstation auf Trainingsflug: die jungen Waldrappe mit ihren Ziehmüttern im Feld. Bildquelle: SRF.
Der Waldrapp brauche die Hilfe vom Menschen, so wie andere Tierarten auch, hält Johannes Fritz dem entgegen. Er zähle zu den Arten, die mit der vom Menschen geprägten Umwelt gut zurechtkomme. «Der Waldrapp braucht offene Lebensräume, Wiesen, Weiden. Und die hat er bei uns zur Verfügung.»
Raffael Ayé von Birdlife Schweiz bezeichnet es als «absolutes Hochrisikoprojekt, wo man viele Ressourcen investiert und am Ende nicht weiss, ob es je gelingen wird, dass man eine selbstständig überlebensfähige Population haben wird.»
Johannes Fritz hingegen rechnet damit, dass man in zwei bis drei Jahren die Schwelle von 330 Tieren für eine sich selbstständig erhaltende Population überschreiten werde. Er räumt aber ein, dass es wohl weiterhin Stützungsmassnahmen für die ausgesetzten Tiere brauche.