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Sex bei Fledermäusen Dank Hobbyforscher wurde das Rätsel um den Riesenpenis gelöst

Normalerweise pflanzen sich Säugetiere durch penetrativen Sex fort. Doch der Penis der Breitflügelfledermaus ist so gross, dass er gar nicht in die Vagina seiner Artgenossinnen passt. Ein Schweizer Forscher hat nun herausgefunden, wieso dieser Penis trotzdem Sinn macht.

Wie würden Sie reagieren, wenn Sie eine E-Mail mit dem Betreff «Eptesicus Penis» erhalten würden? Nicolas Fasel, Forscher an der Universität Lausanne, hätte diese E-Mail beinahe als Spam abgetan. Aber der lateinische Begriff «Eptesicus» machte ihn dann doch neugierig und er klickte.

Fasel wusste zu dem Zeitpunkt bereits, dass der Penis der Eptesicus Serotinu zu Deutsch Breitflügelfledermaus, einige Fragen aufwirft. Er ist im erigierten Zustand siebenmal so lang und siebenmal so breit wie die Vagina des Weibchens. Penetrativer Geschlechtsverkehr ist für die Tiere damit ziemlich sicher unmöglich. Wie sie sich paaren, war lange ein Rätsel.

Eine Breitflügelfledermaus liegt auf einem weissen Tuch.
Legende: Bild einer Breitflügelfledermaus. Die flauschigen Tierchen sind auch in der Schweiz heimisch. Current Biology/Olivier Glaziot

Die E-Mail im Postfach von Nicolas Fasel kam von Jan Jeucken, einem Fledermaus-Fan aus den Niederlanden. Jeucken hatte Breitflügelfledermäuse in einer benachbarten Kirche beobachtet und gefilmt.

Auf einer seiner Aufnahmen ist zu sehen, wie ein Fledermausmännchen das Weibchen zur Einleitung des Geschlechtsakts von hinten festhält und in den Nacken beisst. Zeitgleich sucht das Männchen mit seinem erigierten Penis die Vulva. Ist diese einmal gefunden, drückt das Männchen den Penis gegen den Eingang und verharrt dort, bis sich die Tiere aus ihrer Umarmung lösen. Was übrig bleibt ist ein feuchter Fleck auf dem Fell des Weibchens. Ein Hinweis auf Sperma, welches während der innigen Umarmung wahrscheinlich auch in die Vagina gelangt.

Erster Nachweis von nicht-penetrativem Sex bei Säugetieren

Hobbyforscher Jan Jeucken gibt dem Evolutionsbiologen und Fledermausforscher Nicolas Fasel den entscheidenden Tipp auf die Frage, wie sich die Tiere trotz des überproportional grossen Penis paaren könnten.

Daraufhin untersucht Fasel gemeinsam mit weiteren Forschenden 93 Paarungsereignisse von Breitflügelfledermäusen in der niederländischen Kirche sowie vier weitere in einem Fledermausrehabilitationszentrum in der Ukraine. Die Resultate hat er kürzlich im Fachmagazin Current Biology publiziert. Darin beschreibt er zum ersten Mal eine Begattung ohne Penetration bei einem Säugetier.

Ein solches Paarungsverhalten bei Säugetieren sei ihr zuvor noch nie begegnet, bestätigt auch die Evolutionsbiologin Mihaela Pavličev von der Universität Wien gegenüber dem Fachmagazin Nature . Ob dabei tatsächlich Sperma ausgetauscht wurde, bedarf aber noch weiterer Forschung.

Wissenschaftliche Illustration des Paarungsverhaltens und der Genitalien einer männlichen Breitflügelfledermaus.
Legende: Bild aus der Publikation von Nicolas Fasel A und B: Der erigierte Penis der Breitflügelfledermaus. C: Zeigt die Grösse des weiblichen Genitaltrakts. D: Das Männchen umarmt das Weibchen zur ungewöhnlichen Paarung von hinten. E: Die Breitflügelfledermaus paart sich hauptsächlich im Oktober. F: Die Tiere werden unterirdisch hauptsächlich im Juli und August gesichtet. Current Biology/Fasel et al.

Dafür liefert Fasel in der Publikation eine mögliche Erklärung für den übergrossen Penis der männlichen Breitflügelfledermaus. Es wäre denkbar, dass die Fledermausweibchen ihre Vulva mit der typischen schwarzen Schwanzflughaut verdecken, um sich vor Sex zu schützen. In diesem Fall würden die Männchen ihren Penis wie ein Arm dazu nutzen, die Schwanzflughaut auf die Seite zu schieben.

Fortpflanzung kann Fleissarbeit sein

Die Vorbereitungen zum eigentlichen Akt der Breitflügelfledermaus wirken bereits aufwändig. Und für menschliche Massstäbe kann dieser auch ziemlich lange dauern. Die Hälfte der beobachteten Paarungsereignisse dauerte bis zu 53 Minuten, die andere Hälfte dauerte länger. Der längste Akt, den die Forschenden beobachten konnten, dauerte knapp 13 Stunden. Penetrativen Sex konnten die Forschenden bei keinem der Fledermauspärchen beobachten.

SRF2 Kultur, Wissenschaftsmagazin, 25.11.2023, 12:40 Uhr

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