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Von der Haut ins Wasser Sonnencreme in Schweizer Badeseen: ein Problem?

Eincremen – und dann ab ins kühle Nass. Während wir uns erfrischen, gelangt Sonnenschutzmittel von der Haut ins Wasser. Welche Konsequenzen das für Fische und Krebstiere hat, untersucht Alexandra Kroll vom Oekotoxzentrum. Sie weiss, was hinter Labels wie «korallenfreundlich» steckt und wie wir unsere Badeseen möglichst schonen können.

Alexandra Kroll

Umwelttoxikologin

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Alexandra Kroll ist Umwelttoxikologin am Oekotoxzentrum, dem Schweizer Zentrum für angewandte Ökotoxikologie. Sie untersucht Schweizer Badeseen auf UV-Filter aus Sonnenschutzmitteln. Mit ihrer Arbeit setzt sie sich dafür ein, ein umfassenderes Bild unserer Oberflächengewässer zu gewinnen.

SRF Wissen: An beliebten Badeplätzen fällt mir oft eine ölige Schicht auf dem Wasser auf. Ist Sonnencreme so umweltschädlich, wie ich befürchte?

Alexandra Kroll: Wir wissen es schlichtweg nicht. In der Schweiz fehlen uns die notwendigen Daten dazu. Das wollen wir jetzt ändern: Nachdem wir im Sommer 2022 während des Pfadi-Bundeslagers den Geschinersee beprobt haben, haben wir letzten Sommer neben dem Geschinersee vier weitere Badeseen untersucht: den Cresta-, Canovas-, Hüttner- und Greifensee. Das tun wir auch diesen Sommer wieder.

Und welchen Eindruck liefern diese ersten Proben?

Teils liegen die Konzentrationen der gemessenen Stoffe im Risikobereich. Schädliche Wirkungen auf Fische oder Krebstiere können wir also nicht ausschliessen. Fest steht: Die UV-Filter der Sonnencreme gelangen ins Wasser und Sediment. Welchen Weg die Stoffe dabei genau nehmen, wissen wir allerdings nicht.

30’000 Badefreudige am kleinen Geschinersee

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Im Sommer 2022 landeten mit dem Pfadi-Bundeslager (BuLa) plötzlich 30’000 Badefreudige am Geschinersee. Ein besonderer Stresstest für den kleinen See im Goms.

Das gab einem Projektteam des Oekotoxzentrums Anlass dazu, den See vor und während des Lagers zu beproben. So konnte es zeigen, wie sich während des BuLa die UV-Filter im Wasser ansammelten.

Die Konzentrationen stiegen so weit an, dass auch Schäden an der Tierwelt nicht auszuschliessen waren. Und das, obwohl das Oekotoxzentrum das BuLa im Vorfeld beraten hatte. Zum umfangreichen Konzept gehörte beispielsweise, vor dem Baden zu duschen und die Anzahl der Personen im See zu begrenzen.

Klingt, als gäbe es noch einiges zu klären.

Das gibt es tatsächlich. Neben den Wasserproben führen wir deshalb auch Badeversuche durch. Diese sollen zeigen, welchen Weg die UV-Filter von der Haut in die Umwelt nehmen.

Nun enthalten unsere Sonnenschutzmittel ja unzählige, unterschiedliche UV-Filter. Welche Stoffe sorgen denn für die grösste Besorgnis?

Im Geschinersee fielen insbesondere die beiden Stoffe Benzophenon-3 und Octocrylen auf. Angesichts der Vielzahl an UV-Filtern ist es aber tatsächlich eine Herausforderung, den Überblick zu behalten. Das macht es auch so schwierig, sich beim Kauf von Sonnencreme für ein möglichst umweltfreundliches Produkt zu entscheiden.

Umstrittenes Octocrylen

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Um einen möglichst breiten Schutz zu gewährleisten, enthält Sonnencreme Mischungen aus verschiedenen UV-Filtern. In der Schweiz sind insgesamt 30 UV-Filter zugelassen. Dazu gehört auch Octocrylen: ein organischer UV-Filter, der unter dem Verdacht steht, umweltschädlich und als Abbauprodukt krebserregend zu sein.

Ein Verbot für Octocrylen besteht bislang nur in wenigen Staaten, wie zum Beispiel Hawaii. In der EU gilt in Sonnenschutzmitteln eine Obergrenze von 10 Prozent. Hierzulande wird diese Obergrenze lediglich empfohlen. Zwar sind die Hersteller und Importeure zur Selbstkontrolle verpflichtet, eine obligatorische Prüfung der Umweltverträglichkeit gibt es jedoch nicht.

Ich habe mich letztlich für eine Sonnencreme mit drei Labels entschieden: «ohne Octocrylen», «ohne Mikroplastik» und «ohne Nanopartikel». Eine gute Wahl?

Diese Labels klingen natürlich vielversprechend. Ihre Aussagekraft ist jedoch sehr begrenzt. So kann es zum Beispiel sein, dass die Creme statt des viel zitierten Octocrylens einen anderen UV-Filter enthält, der genauso schädlich oder sogar noch schädlicher ist.

Ich wähle grundsätzlich Sonnencreme mit mineralischen statt organischen UV-Filtern.

Übrigens verspricht man sich auch vom Label «korallenfreundlich» zu viel. Die «Freundlichkeit» lässt sich ohnehin nicht einfach so auf Süsswasserorganismen übertragen.

Ich habe also trotz Labels eine Blackbox gekauft.

Richtig. Das lässt sich bei der immensen Auswahl an Sonnencremes gar nicht vermeiden. Gerade deshalb wollen wir jetzt gemeinsam mit dem Bundesamt für Umwelt herausfinden, welcher Handlungsbedarf besteht. Solche Bestrebungen gibt es übrigens auch in der EU. So hat beispielsweise Frankreich kürzlich einen Antrag für neue Regulierungen bezüglich Octocrylen gestellt.

Eine Frau und ein Mann entnehmen Wasserproben an einem Versuchsteich.
Legende: Alexandra Kroll entnimmt mit Armin Zenker der Fachhochschule Nordwestschweiz Proben an einem Versuchsteich. Hier finden Badeversuche statt, um den Weg der Sonnencreme von der Haut in die Umwelt besser zu verstehen. Oekotoxzentrum

Zumindest für diesen Sommer sind wir Konsumentinnen und Konsumenten also noch auf uns allein gestellt. Auf welche Sonnencreme vertrauen Sie denn?

Ich wähle grundsätzlich Sonnencreme mit mineralischen statt organischen UV-Filtern. Und hierbei bevorzuge ich diejenige Sonnencreme, die diesen unbeliebten weissen Film auf der Haut hinterlässt. Das sieht zwar nicht besonders hübsch aus, ist aber ein Zeichen dafür, dass die Creme keine Nanopartikel enthält. Über deren Schicksal in der Umwelt wissen wir nämlich besonders wenig.

Das Gespräch führte Miriam Kull.

SRF 1, Meteo, 6.8.2025, 12:55 Uhr ; 

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