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Von Fröschen lernen Wer schön sein will, braucht viel Grips

Unser Gehirn ist ein wahrer Energiefresser – es verbrät bis zu 20 Prozent der Kalorien, die wir Tag für Tag verbrauchen. Es ist also ziemlich teuer, ein grosses Gehirn zu haben.

Warum sich so ein grosses Gehirn lohnt, beantwortet jetzt eine neue Studie, die Wissenschaftsredaktion, Katrin Zöfel gelesen hat.

Katrin Zöfel

Wissenschaftsjournalistin

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Katrin Zöfel ist Wissenschaftsredaktorin bei SRF. Sie ist Biologin und versucht zu verstehen, wie die Wissenschaft helfen kann, Antworten auf gesellschaftlich wichtige Fragen zu finden.

SRF: Katrin Zöfel, in der Studie geht es um Frösche, Schlangen und wer wen frisst – was sagt uns das über die Notwendigkeit eines grossen Hirns?

Katrin Zöfel: Die Studie hat bei 102 chinesischen Froscharten geschaut, wie auffällig oder unscheinbar die Frösche gefärbt und wie gross ihre Gehirne waren. Dabei kam heraus: Die unscheinbaren Frösche hatten die kleineren Gehirne...

Langweiler sind also dumm, oder wie muss ich das verstehen?

Nicht ganz. Die unscheinbaren Frösche haben einen entscheidenden Vorteil: Sie sind schwer zu entdecken und  verschwinden sozusagen in der Umgebung. Das schützt sie vor Fressfeinden, vor allem vor Schlangen.

Auf dem Bild ist ein Europäischer Laubfrosch zu sehen. Er sitzt gut getarnt auf einer Pflanze.
Legende: Gut getarnt und geschützt vor Fressfeinden – ein Europäischer Laubfrosch (Hyla arborea). imago images / xblickwinkel/ C.xKaiserx

Auffällige Frösche werden viel leichter von Schlangen entdeckt, gejagt und gefressen. Also brauchen die Auffälligen ein grösseres Gehirn. Sie müssen schlau sein, damit sie schnell merken, wenn sie eine Schlange nähert, und dann schnell einen Fluchtweg finden.

Wer sich ein auffälliges Aussehen leistet, muss also seine Umgebung besser wahrnehmen und deuten können...

Ganz genau. Die Forscher konnten zeigen, dass auch die Gegend, in der die Froschart lebt, eine Rolle spielt – ob es dort besonders viele Schlangen gibt oder nicht. Auffällige Froscharten, die in Gegenden mit wenig Schlangen lebten, hatten ähnlich kleine Hirne wie die unscheinbaren Frösche. Das zeigt: Der Raubdruck durch die Schlangen ist der entscheidende Treiber für die Grösse der Gehirne.

Warum leisten sich die Frösche überhaupt ein auffälliges Äusseres, wenn sie das eigentlich nur in Gefahr bringt?

Sie wollen ja schon gefunden werden, nur nicht grad von Schlangen, sondern von Geschlechtspartnern, mit denen sie sich fortpflanzen können. Je auffälliger, umso eher klappt es mit dem gefunden werden und dem Nachwuchs zeugen.

Wieso gibt es überhaupt Gehirne?

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Für die Entwicklung der Gehirne muss man in der Evolutionsgeschichte bis ins Kambrium zurückgehen. Damals, vor etwa 500 Millionen Jahren, gab es noch keine komplexen Tiere. Würmer waren damals die aktivsten und agilsten Tiere. Die Würmer ernährten sich von Mikroben, dafür mussten sie nicht besonders schlau sein: Man findet einen Mikrobenrasen und fängt an zu grasen.

Irgendwann aber fingen einige Wurmarten an, andere, kleinere Würmer zu fressen. Jetzt, wo es unter den Würmern plötzlich Räuber und Gejagte gab, fingen sowohl die Jäger als auch die Gejagten an, komplexere Nervenstrukturen zu entwickeln. Es waren vorerst nur einfache Minigehirne, aber es war der Anfang. Denn wer gejagt wird, braucht ein gutes Gehirn... Und wer jagen will auch. Wir haben unser Bewusstsein und unser Gehirn also sozusagen räuberischen Würmern zu verdanken.

Radio SRF 2, Kultur aktuell, 18.08.2022, 17:10 Uhr ; 

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