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Warnung vor Grossabsturz Brienz GR: Hang bewegt sich bis zu 17 Meter pro Tag

Über Brienz könnte eine bis zu eine Million Kubikmeter grosse Schuttlawine abgehen. Die Gefahr fürs Dorf ist gross.

Im Bündner Bergdorf Brienz spitzt sich die Lage am Hang weiter zu. Nebel und schlechtes Wetter erschweren aktuell die Überwachung. «Bei schlechter Sicht funktioniert die Lasermessung mit dem Tachymeter nicht mehr richtig», sagt der Brienzer Medienverantwortliche Christian Gartmann.

Auch die visuelle Kontrolle durch Geologen ist momentan eingeschränkt. Dennoch zeigen die Daten dank des präzisen Geo-Radarsystems und der Drohnenaufnahmen ein klares Bild: Das «Plateau Ost» hoch über dem Dorf droht in Kürze abzubrechen.

Nebel am Brienzer Hang
Legende: So sieht es derzeit am Hang aus (26.11.2025) SRF

Die Geschwindigkeit des Ostteils stieg von etwa zehn Zentimeter in der letzten Woche auf bis zu 17 Meter pro Tag am Mittwochmittag. «Wir sehen eine exponentielle Beschleunigung», sagt Gartmann. Eine solche Dynamik gelte als typisches Vorzeichen eines grossen Absturzes. Jederzeit könnte somit ein massiver Felssturz auch ohne Vorwarnung erfolgen.

Kontinuierliche Felsstürze

In den vergangenen zwei Tagen kam es bereits zu Dutzenden Felsstürzen, teils mit grossen Blöcken. «Es sieht im Moment danach aus, dass sich das Plateau Ost selbst zerlegt. Ein Viertel oder vielleicht sogar die Hälfte des ursprünglichen Volumens sind bereits abgestürzt», sagt Gartmann.

Das abgestürzte Material bleibt bisher noch am Hang auf der sogenannten Schutthalde liegen, einem Gebiet aus Geröll und Felsbrocken früherer Ereignisse.

Schutthalde an einem Berghang mit diversen Beschriftungen der einzelnen Gebiete.
Legende: Geländetafel vom August 2025: Seither kam es zu vielen Felsstürzen. Brienzer Rutsch/Gemeindeführungsstab Albula/Alvra

«Die Schutthalde mit ihren massiven Felsbrocken wirkt wie ein Bremsklotz für abstürzendes Material», fügt Gartmann hinzu. Doch auch diese Halde sei aktuell immer mehr in Bewegung – mittlerweile auch mit 10 bis 12 Meter pro Tag.

Technische Überwachung des Hangs

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Lasertachymeter: Misst Distanzen mit Lasern zu mehreren Dutzend Spiegelpunkten am Hang. Funktioniert nur bei klarer Sicht – Nebel und Wolken stören die Messung.

Geo-Radar: Sendet Radarimpulse in den Hang, erkennt die Geschwindigkeitsentwicklung in den verschiedenen Gebieten der 1.8 Quadratkilometer grossen Rutschung. Vorteil: arbeitet auch bei Nebel und Dunkelheit. Nachteil: Gelegentliche Irritation durch Luftfeuchtigkeit oder gefallenen Schnee.

Drohnen: Erfassen regelmässig Luftbilder und 3D-Daten. Damit lassen sich Anrisse erkennen und Volumen präzise bestimmen.

GPS-Sensoren: Sie sind direkt im Hang installiert und liefern präzise Positionsdaten. Sie zeigen, wie sich einzelne Punkte verschieben – unabhängig von Sichtbedingungen.

Photogrammetrie: Hochauflösende Bildreihen werden miteinander verglichen. Es entstehen Zeitreihen, in denen Bewegungsmuster von Teilbereichen der Rutschung erkennbar werden.

    Die Situation in Brienz ist somit hochdynamisch und riskant: «Bis zu 300’000 Kubikmeter können aus dem Plateau Ost abstürzen», so Gartmann. In der Schutthalde darunter lagern aber bereits rund 700’000 Kubikmeter Schutt.

    Sollte die Halde ihre Stabilität verlieren, droht ein massiver Schuttstrom von etwa einer Million Kubikmeter Gesteinsmaterial, der das Dorf erreichen könnte. Dies würde etwa einem Volumen von 1000 Einfamilienhäusern entsprechen. Passieren könne dies jederzeit.

    Verkehr nicht betroffen

    Die beiden Kantonsstrassen und auch die Eisenbahnlinie unterhalb des Dorfes werden gemäss den aktuellen Einschätzungen nicht durch den möglichen Absturz gefährdet sein, sodass auch die dort stehenden Ampeln als Warnanlage jetzt noch nicht angeschaltet sind.

    Der Grund: In den letzten drei Wochen hat es in der Region nicht stark geregnet und es liegt auch kaum Schnee. Ein Schuttstrom würde auf dem relativ trockenen Untergrund der Wiesen rasch abgebremst.

    Schweiz aktuell, 25.11.2025, 19:00 Uhr

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