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Wissenschaft der Mückenabwehr «Wer Alkohol trinkt, wird für Mücken attraktiver»

Mücken sind der natürliche Feind schöner Sommerabende. Egal was man tut, sie finden ihr Ziel. Ihre Antennen können uns aus 50 Metern Entfernung orten. Welche Tricks sie noch auf Lager haben, weiss Forscher Pie Müller.

Pie Müller

Insektenforscher

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Der Biologe und Entomologe Pie Müller forscht zu Stechmücken. Er ist Gruppenleiter am Schweizerischen Tropen- und Public Health Institut in der Nähe von Basel. Ihn interessieren Fragen, wie Stechmücken resistent gegen Gifte werden, was für Arten sich in Europa ausbreiten und mit welchen neuen Methoden Stechmücken bekämpft werden können.

SRF Wissen: Herr Müller, wie finden Mücken eigentlich ihre Opfer?

Pie Müller: Mit einer ganzen Reihe von Sinnesorganen. Mit ihren Antennen nehmen Mücken das CO₂, das wir ausatmen, auf bis zu 50 Meter Entfernung wahr. Wenn sie etwas näher kommen, detektieren sie mit den Antennen unseren Körpergeruch. Gerüche sind also wichtig, obwohl Mücken gar keine Nase haben.

Ab etwa einem halben Meter bis zu wenigen Zentimetern spielen auch Körperwärme und Luftfeuchtigkeit eine Rolle, sowie der Tast- und Geschmackssinn, sobald sie gelandet sind. Mücken können mit den Füssen schmecken, genau wie Fliegen.

Was macht Mückensprays für Mücken abstossend?

Wir wissen bis heute nicht so genau, warum diese Mittel funktionieren. Wir wissen, dass sie wirken, kennen aber den genauen Mechanismus nicht im Detail. Unsere Analysen zeigen, dass sie trotz Spray kurz landen, aber gleich wieder wegfliegen (siehe Video).

Wenn man die Funktionsweise nicht kennt – wie findet man dann Wirkstoffe für die Sprays?

Es gibt zwei Ansätze. Entweder das Prinzip Hausmittelchen: Man baut auf natürliche Stoffe auf, deren Wirkung traditionell bekannt ist, und entwickelt sie weiter. Oder man testet grosse Wirkstoffsammlungen durch. So findet man nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum Moleküle, die eine abschreckende Wirkung haben.

Wie erforscht man die Sinneswahrnehmung von Mücken?

Da gibt es verschiedene Methoden. Zum Beispiel die Elektrophysiologie: Damit kann man messen, wo die Nervensignale bei einem bestimmten Reiz auftreten. Oder wir können bestimmte Gene ausschalten und dann feststellen, was nicht mehr funktioniert. So kommen wir der Sache auf die Schliche.

Warum werden manche Menschen häufiger Opfer von Mücken als andere?

Der Mythos vom «süssen Blut» ist falsch. Aber es ist belegt, dass manche Menschen für Mücken attraktiver sind als andere. Das hat beispielsweise mit dem Körpergeruch zu tun oder mit der Körpertemperatur: je wärmer, desto attraktiver.

Wir wissen, dass Schwangere für Malaria-Mücken attraktiver werden.

Die Ernährung spielt eine Rolle – viel Alkohol zieht Mücken an. Wir wissen auch, dass Schwangere für Malaria-Mücken attraktiver werden. Warum das so ist, dazu tappen wir noch im Dunkeln.

Sind Mücken in unterschiedlichen Regionen unterschiedlich aggressiv?

Weltweit gibt es rund 3600 Stechmückenarten. Manche stechen ausschliesslich Menschen, manche stechen nur Tiere, und manche sind nicht wählerisch zwischen Menschen und Tieren.

Nur die weiblichen Mücken stechen

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Männchen wie Weibchen ernähren sich von zuckerhaltigen Lösungen wie Nektar und Fruchtsäften. Für ihr eigenes Überleben brauchen sie gar kein Blut. Die Weibchen benötigen aber das Eiweiss aus dem Blut, um Eier produzieren zu können. Männchen haben gar keine Stechvorrichtung.

Mücken, die auf den Menschen spezialisiert sind, sind besonders effektiv darin, Menschen zu finden. Wenn sie tagsüber aktiv sind und also leichter entdeckt werden können, stechen sie vermutlich lieber kürzer, dafür häufiger zu. Das wirkt aggressiver. In der Schweiz kennen wir rund 40 Arten. Auch hier hat es solche, die ausschliesslich Menschen stechen.

Mücken sind sprichwörtliche Fliegengewichte und können trotzdem unsere Haut durchstechen. Wie machen sie das?

Mücken haben einen ausgeklügelten Stechapparat, der aus verschiedenen Elementen besteht. Eines davon hat Zähnchen unten dran, eine Art Stichsäge. Die Haut wird also eher geschnitten als durchstochen. Andere Elemente spreizen die Haut, während eine weitere Nadel das Blutgefäss anzapft und wie mit einem Strohhalm das Blut aufsaugt.

Das Gespräch führte Thomas Kobel.

SRF 1, Einstein, 22.06.2023, 21:05 Uhr ; 

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