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Zikaden-Invasion in den USA Wieso jetzt Milliarden von Zikaden aus dem Boden krabbeln

In den USA spielt sich gerade ein Naturschauspiel ab. Milliarden Zikaden kriechen nach vielen Jahren im Erdboden für die Paarung nach oben – alle gleichzeitig. Was das für die Menschen dort bedeutet und wie ein solches Phänomen im Laufe der Evolution entstehen konnte.

Wahrscheinlich hat es jeder schon einmal gehört: Idyllisches Zirpen abends am See oder beim Urlaub am Mittelmeer – das sind Zikaden. Forschende vermuten, dass es weltweit rund 50’000 verschiedene Singzikaden-Arten gibt. Aber nur im Südosten der USA gibt es Magicicada , magische Zikaden.

Magische Zikaden kommen nur in Massen aus dem Boden

Das «Magische» an diesen Tieren ist: Sie sind synchronisiert und tauchen immer in festen Perioden auf.

Periodische Zikaden verbringen ihr Leben im Boden an Wurzeln, wo sie den Saft der Bäume trinken. Dort bleiben sie je nach Brut entweder 13 oder gar 17 Jahre lang. Dann kommen alle gleichzeitig nach oben. Sie häuten sich, beginnen zu singen, paaren sich, legen Eier ab – und sterben.

2024 ist ein Super-Zikaden-Jahr

In diesem Jahr kommen Brut XIII und die besonders grosse Brut XIX zum ersten Mal seit 221 Jahren gemeinsam nach oben. Dabei decken sie eine aussergewöhnlich grosse Fläche ab, weite Landstriche im Südosten der USA.

Früher dachte man, die biblischen Plagen kehren zurück. Aber im Gegensatz zu Heuschrecken, vernichten die periodischen Zikaden keine Ernten – und beissen nicht.

Periodische Zikaden sind ein Booster für das Ökosystem

Tatsächlich haben die Tiere gar einen positiven Effekt auf ihre Umwelt. Sobald die Zikaden sterben, sind sie wie ein Dünger für den Boden und sorgen dafür, dass die nächste Baum-Generation einen optimalen Start hat.

Periodische Zikaden als Klima-Warnsystem?

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Weil periodische Zikaden viele Jahre an den Baumwurzeln verbringen, sind sie auch vielfältigen Umweltveränderungen ausgesetzt.

Forschende vermuten deshalb, dass die Tiere als eine Art Indikator für den Klimawandel dienen könnten: Sie sitzen so lange im Erdboden und registrieren und reagieren dort auf die Umgebung. Deshalb versuchen Insektenforschende das Zikaden-Aufkommen möglichst exakt zu kartieren, sobald die Tiere aus dem Boden kommen.

Die Theorie ist: Wenn wir verstehen, wie sich Zikadenpopulationen verändern, könnte das Hinweise auf die spezifischen Umweltbedingungen in einer Region geben.

Auch zahlreiche andere Arten wie Vögel, kleine Nagetiere, Schildkröten oder Schlangen profitieren von diesem Massen-Event, weil sie durch das «All you can eat-Buffet» in diesem Jahr bessere Überlebenschancen haben.

Ein Primzahl-Lebenszyklus aus der Eiszeit

Wie sich dieser Lebenszyklus im Lauf der Evolution entwickeln konnte, ist bis heute nicht vollständig geklärt. Forschende vermuten, dass diese Verhaltensweise in der letzten Eiszeit entstanden ist – damit die Zikaden bei tiefen Temperaturen seltener an die Oberfläche mussten. Allerdings erklärt diese Theorie nicht, warum viele andere Tiere keine ähnlichen Muster entwickelt haben.

Wie viele Zikaden sind es denn nun?

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Immer wieder haben Forschende versucht, die exakte Zahl der Zikaden in einem Gebiet zu bestimmen. Die ist allerdings schwer zu erfassen.

Um Populationsgrössen anzugeben, nutzen Forschende in der Regel die Rückfangmethode. Dabei wird eine Stichprobe der Tiere eingefangen, markiert und wieder freigelassen.

Danach wird eine zweite Stichprobe gefangen. Und über den Anteil der bereits markierten Tiere in dieser zweiten Stichprobe lässt sich dann die Gesamtzahl berechnen.

Das Problem ist: Weil es pro Hektar mehrere Millionen Tiere gibt, ist es kaum möglich, eine ausreichend grosse Stichprobe zu markieren. Genaue Schätzungen gibt es deshalb nicht.

Auch die Zahlen selbst veranlassen zu Spekulationen – 13 und 17, beides Primzahlen. Bis heute rätseln Forschende, ob dieser ungewöhnliche Rhythmus durch Zufall entstanden ist, oder ob er möglicherweise verhindern soll, dass sich Fressfeinde auf die Zikaden-Massen spezialisieren.

Periodische Zikaden sind kleine tickende Zeitbomben

Ein weiteres Rätsel: Woher wissen die Zikaden überhaupt, wann 13 oder 17 Jahre vorüber sind? Einem Team um den Biologen Richard Karban ist es vor einigen Jahren gelungen, einige ältere Zikaden an Wurzeln von Bäumen im Labor anzusiedeln.

Einige der Topf-Bäume wurden einem beschleunigten Jahreszeiten-Rhythmus ausgesetzt. Das heisst, die Zikaden erlebten alle Jahreszeiten innerhalb weniger Monate und nicht im Laufe eines ganzen Jahres. Das Ergebnis: In den manipulierten Töpfen kamen die Zikaden nach der korrekten Anzahl Jahreszyklen heraus. Nicht nach der korrekten Zeit. Das bedeutet, die Zikaden haben nicht die Zeit gemessen, sondern die Abfolge der Jahreszeiten abgewartet.

Die Zikaden sind also wahrscheinlich in der Lage, die Veränderungen der Jahreszeiten über den Baumsaft zu registrieren – und sind dann alle gleichzeitig bereit für die grosse Invasion.

Wissenschaftsmagazin, 18.05.2024, 12:40 Uhr

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