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Kampf gegen Lichtverschmutzung Gedimmtes Licht zum Wohle der Insekten

Die Schweiz wird nachts immer heller – ganz zum Leidwesen der Natur. Darum suchen Forschende nach einer Beleuchtung, die der Umwelt wenig schadet und dem Menschen doch genug Licht gönnt.

Spazierenden bietet sich zuhinterst im Alptal bei Einsiedeln ein seltsamer Anblick: Mitten im Wald stehen hier ein gutes Dutzend Strassenlaternen. Sie sind Teil eines vierjährigen Versuchs der eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL.

Das Ziel des Versuchs: Eine Beleuchtung, die den Menschen das bietet, was sie brauchen – und zwar Sicherheit im Aussenraum – der Umwelt aber möglichst wenig schadet. Sprich: weniger Insekten in ihren tödlichen Bann zieht. Denn Insekten orientieren sich natürlicherweise am Licht der Gestirne. Von Kunstlicht werden sie darum angezogen und umflattern dieses meist bis zur Erschöpfung.

Verschiedene Arten von Licht

Die LED-Technik bietet nun aber Möglichkeiten, die Beleuchtung für die Natur zu optimieren. So lassen sich LEDs ohne Energieverlust dimmen. Es gibt sie auch in verschiedenen Lichtfarben, etwa warmweiss, weiss oder kaltweiss.

Ohne Streuung landen rund 70 Prozent weniger Tierchen in unseren Fallen.
Autor: Janine Bolliger Biologin

Sowohl verschiedene Lichtstärken als auch Lichtfarben testen die Forschenden der WSL in ihrem Versuch. Zusätzlich auch zwei Leuchtenformen: Einige streuen das Licht, andere strahlen direkt zum Boden.

Lichtfarbe hat kaum einen Einfluss

Erste Zwischenergebnisse zeigen: An Lampen, die 50 Prozent gedimmt sind, fangen die Forschenden rund einen Drittel weniger Insekten. Ähnlich gross ist der Effekt der Leuchtenform: «Ohne Streuung landen rund 70 Prozent weniger Tierchen in unseren Fallen», sagt die Biologin und Leiterin des Projekts, Janine Bolliger.

Überraschend gering sei hingegen der Einfluss der Lichtfarbe. Eine mögliche Erklärung dafür: Auch die wärmste Leuchte im Versuch hat noch einen geringen Blau-Anteil. Von Blau werden Insekten besonders stark angezogen. Darum haben Bolliger und ihr Team dieses Jahr in die warmweissen Leuchten zusätzlich einen Filter eingebaut, der den Blau-Anteil vollends rausfiltert. Was dabei rauskommen wird, ist noch unklar.

Wie viel Licht braucht der Mensch?

Wiederum eindeutig sind die Ergebnisse der beiden Kontrolllampen, die nachts nicht leuchten. «Hier fangen wir fast nichts», sagt Bolliger, und fügt an: «Abschalten ist damit das Beste für die Umwelt.» In unserer Gesellschaft sei das wohl aber keine Option. Denn Licht gibt uns Sicherheit. Die Biologin glaubt aber, dass man sich im Dunkeln nicht unbedingt fürchten müsse, sondern dass eine Dunkelheit auch Ruhe, Erholung und Entspannung bedeuten könne.

Lichtverschmutzung in der Schweiz

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Zwischen 1994 und 2009 haben sich die Lichtemissionen in der Schweiz mehr als verdoppelt, wie Zahlen des Bundesamts für Umwelt zeigen.

Der Anteil an nachtdunkeln Flächen hat sich von 30 Prozent auf knapp 20 Prozent reduziert. Im Mittelland beispielsweise gibt es jedoch seit Mitte der 1990er-Jahren keinen einzigen Quadratkilometer mehr, in dem es nachts vollständig dunkel wird.

Wie Satellitenbilder zeigen, nimmt die Lichtverschmutzung hierzulande wie auch weltweit weiter zu. Gründe dafür sind die fortschreitende Verstädterung, aber auch der anhaltende Vormarsch von LEDs. Dies, weil sie oft heller sind als herkömmliche Leuchtmittel und tendenziell öfter brennen, da sie energieeffizient und günstig sind.

Diese nächtliche Beleuchtung wirkt sich auf Menschen, Tiere und Pflanzen aus. So verändert sie beispielsweise Aktivitätsmuster oder Fortpflanzungszyklen von Tieren und bringt Ökosysteme aus dem Gleichgewicht.

Auch die Produktion des Hormons Melatonin wird gehemmt und damit die biologische Uhr gestört – sowohl bei Tieren als auch bei Menschen. Für Insekten ist Kunstlicht eine oftmals tödliche Falle und damit ein Grund für das weltweite Insektensterben. Das wiederum wirkt sich negativ auf die Pflanzen aus, da Bestäuber fehlen. Genau abschätzen lassen sich die Auswirkungen der Lichtverschmutzung heute aber noch nicht.

Was es dazu braucht, möchte die Forscherin denn auch genauer herausfinden. So stösst im Herbst eine Sozialwissenschaftlerin zum Team. Sie untersucht, bei welcher Beleuchtung sich Menschen wohl und sicher fühlen.

Diese Resultate möchte die Biologin dann in die Siedlungen tagen, um dort die Lichtverschmutzung zu minimieren. Eins zu eins lassen sich die Erkenntnisse aus dem Wald aber nicht übertragen. Darum hat Janine Bolliger auch bereits das nächste Projekt im Kopf: Versuche entlang eines Gradienten vom Wald in die Siedlungen, also von Licht unberührt bis lichtintensiv. So bald dürften die kuriosen Aufbauten der Forschenden in der Landschaft damit also nicht verschwinden.

Wissenschaftsmagazin, 17.09.2022, 12:40 Uhr

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