Pseudowissenschaftliche Alien-Forscher gibt es viele. Ufo-Fans auch. Die Wissenschaft aber hat sich lange schwer getan mit der Suche nach ausserirdischem Leben. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fürchteten, als Spinner abgetan zu werden.
«Der schweizerische Nationalfonds hat lange keine Forschung gefördert zur Suche nach ausserirdischem Leben», sagt Astrobiologe Daniel Angerhausen von der ETH Zürich. Die Suche nach einfachem Leben wie Bakterien oder anderen Mikroorganismen war einigermassen akzeptiert. Die Suche nach höher entwickeltem, intelligentem Leben sei lange nicht salonfähig gewesen, sagt Angerhausen, «damit blieb dieses Feld Leuten ausserhalb der Wissenschaft überlassen».
Wir wollen der Frage nach ausserirdischem Leben jetzt wissenschaftlich nachgehen
Unterdessen hat sich das geändert. Die Suche nach ausserirdischem Leben liegt im Trend. Die ETH, die renommierteste Hochschule der Schweiz, will nun sogar ein eigenes Zentrum zum Thema eröffnen . Es geht um die Frage, wie Leben überhaupt entstanden ist und wie es sich verbreitet – einfaches wie auch höheres Leben.
Als Direktor und Zugpferd hat die ETH den Schweizer Nobelpreisträger Didier Queloz engagiert. Noch in diesem Jahr soll das neue «Center for the Origin and Prevalence of Life» eröffnet werden. «Wir wollen der Frage nach ausserirdischem Leben jetzt mal wissenschaftlich nachgehen», sagt Angerhausen.
Extreme Lebensformen auf der Erde
Szenenwechsel nach Köln: Hier am deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt forschen Petra Rettberg und Ihre Kollegin Kristina Beblo-Vranesevic schon seit Jahren an extremen Lebensformen, sogenannten Extremophilen.
Es geht um Bakterien und Archäen, winzig kleine Mikroorganismen, die je nach Art an ganz unterschiedlichen extremen Orten leben: Die einen im ewigen Eis, andere in schweflig-heissen Tümpeln oder gar in stark radioaktiv verseuchten Zonen – an Orten also, von denen man annehmen würde, dass Leben dort gar nicht möglich ist. Weit gefehlt.
Tiefsee-Mikroben werden zu Versuchstieren im All
Auch in der Tiefsee gibt es Leben, und zwar unter extremem Druck und in totaler Dunkelheit. Rund um heisse Quellen, die dort aus dem Boden schiessen, leben Mikroorganismen, die ganz ohne Sauerstoff auskommen. Zur Energiegewinnung nutzen sie die Oxidation von Schwefelwasserstoffen aus diesen heissen Quellen. So schaffen die Mikroorganismen die Grundlage für ein reiches Unterwasser-Ökosystem.
Kristina Beblo-Vranesevic ist 2008 hinuntergetaucht, 2'500 Meter in die Tiefen des Pazifiks. Von dort hat sie extremophile Bakterien mitgebracht und erforscht nun gemeinsam mit Petra Rettberg, wie widerstandsfähig diese Organismen sind.
In Druckkammern simulieren sie zum Beispiel die Bedingungen auf dem Mars und schauen, ob diese Organismen überleben. Das bisherige Fazit: Extremophile Lebensformen sind unglaublich zäh. «Sporen von Bakterien, können mindestens sechs Jahre im Weltraum überleben», sagt Petra Rettberg, «und unsere Berechnungen zeigen: Die Bazillus-Sporen könnten sogar überleben, wenn sie im Inneren eines Meteoriten auf die Erde abstürzen».
Geeignetes Biotop auf Eismonden?
Wenn es auf der Erde solch extreme Lebensformen gibt, könnte es sie unter ähnlichen Bedingungen nicht auch woanders geben – vielleicht sogar in unserem eigenen Sonnensystem? Diese Frage stellen sich Forscherinnen und Forscher schon lange. Die heissesten Kandidaten für Leben in unserem eigenen Sonnensystem sind der Mars, der Jupitermond Europa und der Saturnmond Enceladus.
Diese beiden Monde haben rund herum eine mehrere Kilometer dicke Eisschicht. Aber unter dieser Eisschicht gibt es mit grosser Wahrscheinlichkeit flüssiges Wasser und vielleicht auch heisse unterirdische Quellen. Die Raumsonden Clipper und Juice, die das vor Ort genauer untersuchen sollen, sind schon in den nächsten Jahren bereit zum Start.
Bewohnbare Exoplaneten
Der zweite Grund, warum es Astrobiologen heute für viel wahrscheinlicher halten, dass es ausserirdisches Leben geben könnte, sind die vielen Exoplaneten, die seit 1995 in immer grösserer Zahl entdeckt worden sind.
Exoplaneten sind Planeten, die ausserhalb unseres Sonnensystems um andere Sterne kreisen. Wenn sie gesteinsförmig sind und den richtigen Abstand zu ihrem Stern haben, sodass es nicht zu heiss und nicht zu kalt ist, dann wären die Voraussetzungen für die Existenz von Leben gegeben.
Fast 5000 Exoplaneten sind unterdessen entdeckt worden und es ist klar, dass es noch viel mehr gibt. Schon heute sind mehrere Exoplaneten bekannt, die nach bisherigem Wissen die Grundvoraussetzungen für Leben bieten könnten.
Intelligentes Leben rückt in den Fokus der Forschung
Unterdessen suchen die Astrobiologen aber nicht mehr nur nach mikroskopisch kleinem Leben. «Das ist wirklich ein Paradigmenwechsel», sagt Daniel Angerhausen von der ETH Zürich, «wir nehmen jetzt auch die Suche nach intelligenten Leben in unseren Kanon mit auf». Und dabei suchen Astrophysiker nicht mehr nur nach Radiosignalen aus dem All oder nach Bio-Signaturen wie Sauerstoff, Methan oder Ozon, die auf fernes Leben hinweisen könnten. Sie überlegen sich auch, ob man allenfalls die Umweltverschmutzung ferner Zivilisationen in den Atmosphären ihrer Exoplaneten messen könnte.
Ebenfalls untersucht wird, ob man auch eine künstliche Lichtverschmutzung entdecken würde – so wie sie auf der Erde existiert. Um diese Suche nach ausserirdischem Leben auf fernen Exoplaneten weiter voranzutreiben, wird an der ETH Zürich nun ein Weltraumteleskop der nächsten Generation entwickelt. Es sucht weiterhin in erster Linie nach Biosignaturen, aber auch nach möglichem höherem Leben. Geleitet wird das Projekt von Professor Sascha Quanz. Daniel Angerhausen hat weltweit Wissenschaftler für das Projekt zusammengetrommelt. «LIFE» soll das Teleskop heissen – der Name ist Programm.
Wie wahrscheinlich ist ausserirdisches Leben?
«Wir haben jetzt die nötige Technik», sagt Petra Rettberg aus Köln, «damit wir die Frage nach ausserirdischem Leben vielleicht schon in der nächsten Generation beantworten können – und sei es nur mit klitzekleinem, mikrobiellem Leben». Aber für wie wahrscheinlich halten es die Forscherinnen und Forscher, dass es tatsächlich fremdes Leben gibt?
Es gibt zahllose Berechnungen und Überlegungen zu diesem Thema. «Aber weil wir bisher nur die Erde als Referenzpunkt für all diese Berechnungen haben, bleiben die Unsicherheiten sehr gross», sagt Daniel Angerhausen von der ETH Zürich. Und so schwanken die Resultate dieser Berechnungen von «60 anderen Zivilisationen alleine in unserer Galaxie» bis zu «kein anderes Leben als auf der Erde».
Wir müssen auch mit der Variante leben lernen, dass wir alleine sein könnten.
Daniel Angerhausen sagt, er sei zwar zuversichtlich, dass man anderes Leben finde, «aber wir müssen auch mit der Variante leben lernen, dass wir alleine sein könnten». Auch die Kölner Astrobiologin Petra Rettberg will sich nicht auf die Äste rauslassen. «Das Einzige, was sicher ist», sagt Rettberg, «wir hatten noch nie so gute Chancen wie heute, um diese Frage zu klären».